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Polizisten – Opfer ihrer selbst?

■ Polizeistudie stößt auf Verständnis und Befremden

Berlin (taz) – Polizisten, die prügeln, lassen sich nicht weiter als mißliche Einzelfälle abtun. Zu dieser Einsicht gelangte Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD), der gestern in Hiltrup bei Münster im Namen der 16 Länderinnenminister den Bericht „Polizei und Fremde“ präsentierte (die taz berichtete). Die Studie, die im Auftrag der Polizeiführungsakademie Hiltrup angefertigt wurde, beschreibt, wie menschenverachtend Polizisten häufig Ausländer behandeln, wenn sie mit ihnen allein sind. In Seminaren begründeten die 115 befragten Polizisten ihre Übergriffe unter anderem mit „permanentem Streß“, „Aggressivität ausländischer Jugendbanden“, einer „erfolglosen Justiz“ und „feindlichen Medien“.

Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) erklärte zu den neuen Vorwürfen gegen Polizisten, die auch durch ein gestern veröffentlichtes Dossier von amnesty international erhärtet werden, die deutsche Polizei sei „insbesondere nicht fremdenfeindlich“. Ihr Auftrag müsse aber auch gegenüber ausländischen Straftätern erfüllt werden. Bekanntgewordene Verfehlungen von Polizisten würden „konsequent und mit allen daraus resultierenden straf- bzw. disziplinarrechtlichen Folgen“ ermittelt. Der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch nannte es „befremdend“, daß die Ergebnisse der polizeiinternen Studie erst jetzt veröffentlicht werden, obwohl sie seit Juli 1995 vorlägen. Jetzt sei es nicht länger möglich, nach der Parole „Augen zu und durch“ zu arbeiten.

Die Gewerkschaft der Polizei bot ihren schlagenden Mitgliedern trotz der bedrückenden Erkenntnisse Rückendeckung. Der Vorstand ließ verlautbaren, „der Großteil der Bevölkerung“ werde die „Umstände für einzelne Verfehlungen mitempfinden“. Der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten, Reinhard Borchers, verlangte „eine Art kleiner Kronzeugenregelung“ für Polizisten, die Übergriffe gegen Ausländer bei den Vorgesetzten melden. Bisher führten Berichte über Mißhandlungen eher dazu, daß sich „die Reihen schließen“. Manfred Such und Cem Özdemir von den Bündnisgrünen forderten, bei der Polizei das Rotationsprinzip auf „problematischen Dienstposten“ einzuführen. Zudem zeigten neuerliche Übergriffe, „daß die Polizeiführung noch erheblich mehr tun muß, um Fremdenfeindlichkeit zurückzudrängen“. Annette Rogalla Kommentar Seite 10

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