Gesetzestreue PDS-Besetzer

■ Innenverwaltung dementiert Berichte, wonach neue Räumungen anstehen

Bereitet der Senat die Räumung der letzten besetzen Häuser vor? Dies zumindest befürchtet der PDS-Abgeordnete Freke Over. Seinen Angaben zufolge kommt ein senatsinterner Prüfbericht zu dem Fazit, daß die langjährig besetzten Häuser zwar nicht nach Berliner Linie geräumt werden könnten. Allerdings sei eine Räumung nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) möglich, so Over gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Hausbesetzern. Hierfür müßten aber Straftaten vorliegen, „die geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören.“

Den Darstellungen der PDS widersprach gestern allerdings Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU). Der Senat bleibe strikt bei seiner Berliner Linie. Nach diesem Anfang der Achtziger entwickelten Konzept, das in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD erneut festgehalten wurde, werden Neubesetzungen auf Antrag der Eigentümer von der Polizei beendet. Danach soll nur geräumt werden, wenn umgehend mit Abriß- oder Sanierungsarbeiten begonnen wird. Bisher konnten die Bewohner, so Over, zudem nach spätestens einem Jahr mit einer Duldung rechnen, gegen die die Eigentümer klagen müßten.

Den Zusicherungen der Innenverwaltung wurde gestern von Hausbesetzern wenig Glauben geschenkt. Der Ablauf einer solchen Räumung wäre vorprogrammiert, meint Terra, Besetzer in der Marchstraße. „Die Polizei räumt uns, die Eigentümer machen in zwei Stunden das Haus unbewohnbar, und wir könnten eine Einstweilige Verfügung beim Gericht beantragen, nach der wir wieder ins Haus zurückdürften. Dann ist aber alles kaputt.“

Etwa 20 Häuser gelten in Berlin noch als besetzt. Gegen 13 Bewohner der Marchstraße liegen nach vierjährigem Prozeß Räumungstitel vor. „Von denen wohnen nur noch drei oder vier dort, dafür aber 70 andere Leute, die demnach nicht räumbar wären“, beschreibt Terra die Diskrepanz zwischen Urteil und Realität. Daher schlage der Senatsbericht, so Over, die Räumung per Allgemeinem Sicherheits- und Ordnungsgesetz vor.

„Ich hätte nie gedacht, daß ich mal die Berliner Linie verteidige“, wundert sich Bernd Holtfreter, mehrfacher symbolischer Besetzer im Prenzlauer Berg und ebenfalls für die PDS im Abgeordnetenhaus. „Bisher habe ich die nur als Mittel erlebt, um Neubesetzungen zu verhindern.“

„Und wo bleibt die Militanz?“, wundern sich die anwesenden Journalisten bei der Paragraphenargumentation aus dem angeblich rechtsfreien Raum. „Es gibt keinen Grund, Steine zu werfen“, schmunzelt Over, „so lange wir das nicht tun, ist das Recht auf unserer Seite.“ „Die Haustür“, ergänzt Terra, „werden wir aber ein bißchen verstärken, damit uns die Polizei nicht aus den Betten prügelt.“ Gereon Asmuth