: Risse im Gehirn
■ "Herberge für einen Frühling" (20.15 Uhr, ARD)
Wenn das Raucherbein langsam schwarz wird, muß es ab. Auch im Fernsehen. Wie tröstlich, wenn einem die Ärztin versichert, daß man auch nach einer Beinamputation weiterlebt und dabei schaut, als habe man ihr auch schon ein paar Gliedmaßen wegoperiert. Der Blick von Dr. Katrin Klein tötet nicht, er paralysiert nur.
Für die Rolle der Anästhesistin an einem Dresdner Unfallkrankenhaus ist Gudrun Landgrebe die Idealbesetzung; schließlich war schon das Schauspiel der „Flambierten Frau“ eher Narkosemittel als Aphrodisiakum. Für die neue Arztserie hat sie ihr Phlegma noch einmal steigern können. Mit tiefster Inbrunst sagt sie Sätze wie „Träume sind keine Lügen“, als könne sie sich die „Herberge für einen Frühling“ auch gut als Endstation vorstellen. Denkbar ist das, denn wer als Schauspieler erst einmal in einer öffentlich-rechtlichen Praxis stand, ist anderweitig nur noch schwer verwendbar. Das hat uns das traurige Schicksal von Jürgen Wussow alias Dr. Brinkmann alias Mr. Schwarzwaldklinik gezeigt.
Immerhin steht Dr. Katrin Klein nicht allein auf dem Krankenhausflur. Zwischen ihr und dem Kollegen von der Chirurgie entspinnt sich eine Art Zeitlupenflirt, an dem Professor Kugler letztendlich zerbricht. Sein Familienglück ist es schon längst: Die Ehefrau raucht Kette (s.o.), der Sohn schmeißt das Medizinstudium, um als alkoholisierter Yuppie durch die Gegend zu fahren. Prompt landet er via Haarnadelkurve auf dem OP-Tisch seines Vaters, dem als letzte Erziehungsmaßnahme nur noch der Luftröhrenschnitt bleibt.
Um den Chirurgenfrust perfekt zu machen, verabschiedet sich die Anästhesistin auch noch in eine Art Agententhriller, der praktisch parallel läuft: Während Kuglers Skalpell durch den Hals seines mißratenen Sohnes gleitet, verliebt sich Dr. Katrin in die Muskeln eines ehemaligen Indianers von Bad Segeberg. Der mimt in „Herberge für einen Frühling“ einen algerischen Journalisten, der mit hochbrisanten Manuskripten auf der Flucht ist. So treffen sich zwei, für die das Drehbuch nur wenige Dialoge bereithält, die sich aber auch ohne lieben lernen. Katrin gewährt Joäl politisches Asyl auf ihrer Dachterasse, wo sie gemeinsam französischen (!) Rotwein trinken und Röntgenbilder schauen. So könnte die Geschichte eigentlich enden, hätte Professor Kugler nicht einen Riß in Joäls Gehirn übersehen und die ARD keine Fortsetzung geplant. Denn ähnlich den Kommissaren vom „Tatort“ sollen demnächst auch die Ärzte durchs Abendprogramm rotieren. Den medizinischen Regeln entsprechend, wird das Narkosemittel Gudrun aber nur selten verabreicht. Oliver Gehrs
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