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Harte und wundervolle Zeiten

■ Der Taschen Verlag setzt mit „Sexy Books“ erotische Glanzlichter. Auch dabei: Der Fußfetischist Elmer Batters

Alle zwei Sekunden wird irgendwo auf dem Globus ein Taschenbuch verkauft. Sagt Benedikt Taschen, Verleger von Kunst- und Designbänden, die von 40 Vertriebsniederlassungen aus über alle Kontinente verteilt werden. Inzwischen erscheint keines der 250 Bücher mehr in einer Auflage unter 50.000 Stück.

Mit einer Monographie über René Magritte fing es 1979 an, im letzten Jahr gelang dem Verlag der spektakulärste Coup: Die Reichstagsverhüllung durch Christo und Jeanne Claude wurde mit Posterbooks und einer Edition der bisherigen Projekte begleitet.

Wird dieser Taschen Verlag nun bald in Taschenbillard Verlag umbenannt? Das legt ein kurzer Blick in den 96er Katalogs zumindest nahe. Zwar hatte der international operierende Verlag schon immer einen „untrüglichen Instinkt für schön schmutzige Bilder“ (The Independent) – das neue Programm aber steht jetzt ganz im Zeichen von Gummi, Fesseln, Strapsen und Nacktheit. „Sex sells“, vom Kölner Benedikt Taschen umgebogen zum Slogan „Satisfy your Senses“: Die Katalogkapitel werden mit Fotos lesender (oder unter Büchern begrabener) Pin-up-Girls eingeleitet. Und Jeff Koons Stellungswechsel mit Cicciolina oder die eng in den Jeans anliegenden Muskelpakete des Tom of Finland, bislang versteckt zwischen Kunst, Mode, Design und Architektur, haben jetzt eine eigene Rubrik. „Sexy Books“ heißt die Reihe der „Fetish Girls“ und „Bunny Honeys“. Ware, die, wenn erst frei ab 18, mit einer kleinen stilisierten Möse markiert ist (ein Geldsack weist die Buchhändler auf Bestseller hin).

Neuheit zwischen Sado-Maso/ Bondage, historischen „Pikanterien“ und einer esoterischen Orgasmusschule: die Bilder des US- Fotografen Elmer Batters, eines Fuß- und Nylonfetischisten, der seine große Zeit in den 50er, 60er und 70er Jahren hatte. Wo Russ Meyer das Gebot der übergroßen Oberweite kannte, sind es bei dem in den 20er Jahren geborenen Batters Nylonstrümpfe und Zehen, die sich die Nacktmodelle möglichst gegenseitig lutschen und lecken.

Alles gar nicht so wild. Auch die Tatsache nicht, daß die „Sexy Books“ aus dem Hause Taschen keineswegs mehr so „low on gynaecology“ (Gentlemen's Quarterly) sind wie noch 1995. Das wirklich Schleimige sind die Texte. Eine Mischung aus schulbubischer Schenkelklopferei und verbalen Veredelungsversuchen. So heißt es etwa in einer Ankündigung der Nacktbilder afrikanischer Models über den Fotografen: „Als Ästhet hat Uwe Ommer festgestellt, daß der Körper schwarzer Frauen der Inbegriff von Schönheit ist.“ Und die SM-Fotos von Doris Kloster werden allen Ernstes gepriesen als „heißes und gefährliches“ Buch, das „die Grenzlinie bestimmt zwischen Sex und Sex als Modeerscheinung“. Im Altherrentonfall kommen die Fetischfotografien von John Willie daher. „Eine sanfte Verführung, in gemischter Gesellschaft Verwerfliches (aber Köstliches) zu denken.“

Der Blödsinn setzt sich auch in den Büchern selbst fort. Beispielsweise, wenn in dem Fußleckband der Fetischfotograf Elmer Batters und Eric Kroll – Amerikas „King of Fetishism“ – über eine „vornehme und exotische Eurasierin“ plaudern, über „Zehen mit Persönlichkeit“, „nach innen gewachsene Brustwarzen“ oder die Vor- und Nachteile rasierter Muschis.

Doch seltsam, immer wieder betont Interviewer Kroll, daß seine eigene Frau „wunderschön“ sei. Batters hingegen ist stolz darauf, daß seine Frau Anne bei jedem Shooting dabei gewesen ist: „Du warst immer für mich da – als geduldiges Modell eines Novizen, der sein Handwerk lernte, als Assistentin, die die Beine meiner Modelle drapierte. (...) Du hast unsere Kinder durch eine harte und eine wundervolle Zeit gebracht.“ Auf so schöne Worte kann man eigentlich nur anstoßen. Am besten mit Natursekt. Philip Kahle

Elmer Batters: „From the tip of the toes to the top of the hose“. 216 Seiten, Taschen Verlag, 39,95 DM

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