: Bei Gibraltar soll bald eine Unterseebahn fahren
■ Marokko und Spanien planen einen der längsten Eisenbahntunnel der Welt
Paris–Dakkar im Zug bald kein Problem mehr: Der spanischen Regierungschef Felipe Gonzalez und der marokkanische König Hassan II vereinbarten auf dem gestern zu Ende gegangenen Gipfel in Rabbat den Bau eines Eisenbahntunnels unter der Meerenge von Gibraltar. Das Treffen von Rabbat war der erste Gipfel nach über zwei Jahren. Der letzte war wegen des Streites um die Fischfangquoten ausgefallen.
Schon im nächsten Jahr soll mit dem Bau des 28 Kilometer langen und 400 Meter tiefen Großprojektes begonnen werden. Ab 2010 soll dann die Reise vom Meeresgrund im andalusischen Tarifa bis nach Tanger möglich sein. Auf sechs Milliarden Mark wird die Betonröhre veranschlagt. In den nächsten Wochen werden die Pläne in Brüssel eingereicht, um zumindest einen Teil der Finanzierung zu sichern. Was nicht aus EU-Töpfen und von Madrid getragen wird, soll die Privatwirtschaft beisteuern. Marokkos Staatskassen sind leer.
Die Lage des nordafrikanischen Landes hat sich in den letzten Jahren zusehends verschlechtert. Die Auslandsschulden des Alavitenreiches belaufen sich auf umgerechnet 32 Milliarden Mark, 68 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Allein um die Raten abzuzahlen muß die Regierung in Rabbat 40 Prozent des BIP aufwenden. Deshalb verlangt König Hassan II immer wieder von den beiden Hauptgläubigern Spanien (drei Milliarden Mark) und Frankreich – (sieben Milliarden Mark) einen Schuldenerlaß. Dafür lockt er mit Aktien von öffentlichen Betrieben als Vergütung.
Felipe Gonzalez griff auf dem Gipfel zu. Gleichzeitig nahm Marokko erneut zwei Milliarden Mark zu sehr günstigen Bedingungen auf. Bereits vor einem Monat ging Frankreich auf ein ähnliches Geschäft ein. Vier Prozent der Schulden wurden damals in Gesellschafteranteile umgewandelt.
Auch politisch ziehen Spanien und Frankreich an einem Strick. Die Anbaufelder von Haschisch sollen mit einem Teil der Kredite auf andere Produktion umgestellt werden. Das ist kein ganz leichtes Unterfangen, sind doch die 1.000 Jahrestonnen eine wichtige Einnahmequelle des nordafrikanischen Landes. Die marokkanische Opposition hat laut Le Monde die Einnahmen hierfür auf etwa 3 Milliarden Mark im Jahr beziffert.
Was die spanische Delegation auf dem Gipfel mal wieder vergaß: die Menschenrechte und die Frage der Westsahara. Vor allem aus Reihen der „Vereinigten Linken“ (IU) kommt Kritik. Der diktatorisch herrschende König Hassan würde durch die europäische Hilfe künstlich an der Regierung gehalten. Die Schuldentilgung, die vor allem die 280 Millionen Militärhilfe betrifft, begünstige die Expansionspolitik Rabbats gegenüber der ehemaligen spanischen Kolonie in der Westsahara. Nach einem jahrelangen blutigen Krieg gegen die Unabhängigkeitsbewegung Polisario blockiert Marokko immer wieder ein UN-Referendum, das den Konflikt lösen soll. Reiner Wandler
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