„Ich bin sichtbar“

Lydia Samuels vom „Bush Radio“, Kapstadt; Shareef Culis vom „Centre for Democratic Communication“, Johannesburg

taz: Der afrikanische Kontinent war auf der Landkarte des Internet bisher ein weißer Fleck.

Shareef Culis: Das ändert sich gerade. Südafrika hat schon einen sehr guten Anschluß. Namibia hat auch einen, Botswana nicht, in Simbabwe und Mosambik wird an den Universitäten gerade etwas aufgebaut. Die Frage des Internet- Anschlusses hat für Afrika eine ganz besondere Bedeutung.

Warum?

Shareef Culis: Das ist immer die grundsätzliche Frage: Brauchen wir das Internet, oder brauchen wir Toiletten? Es wird diskutiert, ob es sinnvoller ist, einer verhungernden Gemeinschaft einen Sack Kartoffeln zu geben oder das Internet. Dabei kann das Internet eine sehr gute Möglichkeit sein, solche Probleme zur Sprache zu bringen. Es kann die Grenzen überwinden, die einer Gemeinschaft unmittelbar gesetzt sind.

Lydia Samuels: Viele haben davon noch nichts gehört. Aber es gibt doch genügend Leute, die aus der Medienwelt kommen und das Internet kennen. Es ist ein Instrument zur Selbsthilfe. Wenn ich ein Problem habe, kann ich mit jemandem irgendwo in der Welt Verbindung aufnehmen, der ein ähnliches Problem hat. Ich muß nicht erst Tausende von Dollar ausgeben für Auslandsreisen. Ganz zentral ist allerdings die Frage des Zugangs. Mir schwebt da so etwas wie ein Gemeinschaftszentrum in einer Stadt oder einem Dorf vor, wo ganz normale Menschen kostenlos das Internet benutzen können. Im Moment ist es in Südafrika noch in der Hand von wenigen, einer Elite, vor allem an den Universitäten.

Shareef Culis: Aber die Gewerkschaftsbewegung hat jetzt eine Homepage, der ANC hat eine und viele Nichtregierungsorganisationen auch. Die sorgen dafür, daß immer mehr Organisationen ins Internet kommen. Es handelt sich zum Teil um privilegierte Personen, aber vor allem um Gruppen, die politisch damit arbeiten.

Was kostet der Zugang?

Shareef Culis: Südafrika ist ein sehr entwickeltes Land. Das Telefonnetz wird gerade ausgebaut mit Leitungen auf dem neuesten technischen Stand. Die meisten Städtebewohner haben Telefon, in den ländlichen Gegenden gibt es auch mindestens einen öffentlichen Anschluß in Reichweite. Wo Leitungen verlegt werden, können auch Computer mit einem Touchscreen stehen. Die Software, die auf Stimme und Berührung reagiert, muß noch entwickelt werden, aber es möglich, auch ungebildete Leute zum Navigieren im Netz zu bringen. In Südafrika ist das alles vergleichsweise einfach umzusetzen, in den Nachbarstaaten gibt es viel größere Hindernisse.

Lydia Samuels: Heute würde meine Mutter sicher keinen Computer anfassen, aber die Menschen lernen das. Das war auch nicht anders, als der Fernseher aufkam. Wenn die Leute das Internet nutzen können, werden sie auch die Scheu verlieren. Diese Technologien müssen demystifiziert werden, das ist alles.

Shareef Culis: Wir sollten das Internet als ein Element des cultural empowerment betrachten. Heute schon kommen Leute in mein Büro, fragen etwas, und ich sage ihnen: Komm, wir sehen im Internet nach. Ich zeige ihnen, wie sie den Computer selbst bedienen können. Für manche richte ich einfach Bookmarks ein.

Ist das Internet ein Medium der Demokratisierung?

Shareef Culis: Wir machen auch Schulungen mit Leuten vom ANC, von Cosatu und von der kommunistischen Partei. Wenn sie nicht lernen, mit den moderenen Techniken zu arbeiten, werden sie politisch im Abseits landen. Dasselbe gilt für Basisradios, Community- Fernsehstationen und Nichtregierungsorganisationen. Ich will damit nicht die Frage beantworten, ob das Internet an sich in die Demokratie führt oder nicht. Ich sage lediglich: „Benutzt es als Werkzeug für eure eigenen Ziele.“

Aber noch ist der Graben zwischen Norden und Süden sehr tief.

Shareef Culis: Das Internet erleichtert auf jeden Fall die Kommunikation, auch zwischen Norden und Süden. Ich kann meine persönliche Sicht der Dinge mitteilen, bin sichtbar. Davon abgesehen ist E-Mail einfach ein sehr brauchbares System. Wenn wir erst einmal Videokonferenzen machen können, wird das noch einfacher sein. Interview: Miriam Lang

ANC: http://www.anc.org.za