: Wunderkeile gegen Tor-Flaute
■ Gespräch mit dem promovierten Chemiker Eckhard Hermstedt, dessen neuer Fußballschuh der erwiesenen Unzulänglichkeit des menschlichen Fußes zu Leibe rückt
Das Problem ist bekannt. Beim Fußball fallen zu wenige Tore, Drei-Punkte-Regel hin oder her. Nicht nur auf höchster Funktionärsebene wird deshalb diskutiert, wie sich der oft müde Kick aufpeppen ließe. „Tore vergrößern“ schlug vielbelächelt der FIFA-Generalsekretär Josef Blatter vor – eine Maßnahme, mit der einzig den Herstellern von Aluminiumtoren gedient gewesen wäre. Torhüter verkleinern, lautete ein Gegenvorschlag. Doch warum grübeln, wenn einer längst den Ausweg kennt? „Die Unzulänglichkeit des menschlichen Fußes für den Fußballsport“ ist der Grund allen Übels, weiß Dr. Eckhard Hermstedt aus Löningen im Landkreis Cloppenburg, „die Spieler brauchen nur geeignetere Schuhe.“ Pünktlich zum Rückrundenstart erklärt der 58jährige promovierte Chemiker, wie jeder Spieler seine Trefferquote um mindestens 30 Prozent verbessern kann: indem er seine Buffer mit den Hermstedtschen Wunderkeilen ausstattet.
taz: Was haben Sie eigentlich gegen Füße?
Eckhard Hermstedt: Gar nichts, nur sind sie fürs Fußballspielen absolut unsinnig konstruiert. Der Herrgott hat vielleicht an den Handball gedacht, denn die Hand ist sehr funktionell.
Und jetzt wollen Sie der Schöpfung ein wenig nachhelfen.
Ich versuche nur, die Funktionalität der Hand auf den Fuß zu übertragen, das Fußwerkzeug effektiver zu machen. Der Spann ist ja dem Ball entgegengesetzt gewölbt, bei jedem Menschen, mal flacher, mal enger, aber nie nach innen. Zum Schießen wäre es aber besser so, doch man darf den Spann ja nicht operativ verändern.
Deshalb halten Sie sich auch ans Schuhwerk.
Genau, da gibt es noch reichlich zu verbessern. Das ist ein Bereich, der bislang wenig reformfreudig war. Die Schuhe sind zwar immer leichter geworden, über die Jahrzehnte aber vom Prinzip her gleich geblieben.
Und was ist mit dem Wunderschuh „Predator“? In der Werbung wird „mehr Power, Genauigkeit und Ballgefühl“ versprochen.
Zu diesem Thema möchte ich nicht viel sagen. Aber er scheint nicht so funktionell zu sein. Es spielen nur wenige Spieler mit ihm. Die meisten sagen, daß die zusätzlichen Rippen innen und außen am Vorderfuß nicht viel bringen und daß das Ballgefühl verloren geht.
Und was taugt Ihre Konstruktion, für die Sie ja seit 1988 europaweit das Patent besitzen?
Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, daß man mit meinen Schuhen perfekt spielen könne. Es wird auch weiterhin Fehler geben, von denen der Sport ja lebt. Aber ein höheres Niveau ist garantiert. Dabei ist alles so simpel und logisch, daß ich mich wundere, weshalb nicht schon vor mir einer darauf gekommen ist.
Jetzt machen Sie es nicht so spannend. Wie funktioniert es?
Ich schaue mir den Fuß des Spielers genau an, beobachte, welche Schußtechnik er hat. Dann nehme ich Maß und schleife aus einer zwei Zentimeter dicken Platte Keile heraus, die ein orthopädischer Schuhmacher oben auf dem herkömmlichen Nullachtfünfzehn- Schuh festnäht. Das Material heißt übrigens Eva – Ethylvinylacetat.
Ist das alles?
Eigentlich schon. Der Spann ist danach ein wenig nach innen gewölbt, der Ball drückt sich in die Mulde und kann nicht mehr abrutschen, weil er sich besser kontrollieren läßt. Insgesamt kostet die Umrüstung eines Paares um die 150 Mark. Das ist nicht viel, schließlich klappt es nicht nur im Abschluß besser. Ecken, Flanken und Pässe werden jetzt mit Vollspann viel genauer geschlagen. Die Fehlerzahl nimmt ab, der Gegner hat dadurch weniger Chancen, man selber hingegen erheblich mehr.
Wie viele Spieler haben Sie schon überzeugen können?
Bislang sind es vier Bundesligaspieler. Einer vom 1. FC Köln und drei vom FC St. Pauli.
Der Kölner Profi Olaf Janßen hat trotz Ihrer Schuhe diese Saison erst ein Tor geschossen.
Er ist ein Defensivmann und war häufig verletzt. Aber er tritt inzwischen selbstbewußter auf. Sein Mannschaftskamerad Bodo Illgner sagt, Olafs Zuspiele seien gerade bei weiten Pässen und Flanken härter und präziser geworden. Viele Fußballer trauen sich dennoch nicht, meine Erfindung auszuprobieren, weil sie es nicht glauben können und wohl Angst haben, sich zu blamieren.
Müssen die sich sorgen?
Natürlich nicht. Es ist kein Risiko, sondern eine Riesenchance – für jeden. Demnächst kommen noch zwei Bundesligaspieler dazu und ein Stürmer aus dem Kader der Nationalelf. Die Industrie ist ebenfalls an meiner bahnbrechenden Entwicklung interessiert. Nach der Ispo in München werde ich mich mit Vertretern von zwei deutschen Schuhherstellern treffen.
Kommt dann die Revolution?
In logischen, einfachen Zusammenhängen sehe ich nichts Revulotionäres. Aber die um mindestens 30 Prozent höhere Genauigkeit wird wohl als revolutionär empfunden werden. Interview: Clemens Gerlach
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