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„Wie kann ich Hutu-Extremist sein?“

■ Interview mit Léon Ndarobagiye von der burundischen Rebellenbewegung CNDD

Léon Ndarobagiye, Mitglied des Exekutivkomitees des burundischen CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie), besuchte in den letzten Tagen Deutschland. Das CNDD, dessen Führung im zairischen Exil lebt, kämpft in Burundi mit seinem bewaffneten Arm FDD gegen die von Tutsi dominierte Armee.

taz: Was führt Sie nach Deutschland?

Ndarobagiye: Wir sind enttäuscht darüber, daß demokratische Länder das derzeitige Regime in Burundi unterstützen, das nach dem Sturz der demokratischen Institutionen gebildet wurde. Als mit den Wahlen von 1993 unsere Partei „Frodebu“ siegte und unser Land zur Demokratie fand, wurde ich zum Gouverneur der Provinz Muramvya ernannt. Drei Monate und zehn Tage später begann die Armee, die Macht zurückzuerobern – erst brutal, mit der Ermordung des Präsidenten Melchior Ndadaye, dann schleichend bis zur Unterzeichnung der Regierungskonvention vom 10. September 1994 (dieses Abkommen teilte die Macht zwischen der von der Hutu- Mehrheit getragenen „Frodebu“ und der von der Tutsi-Minderheit getragene „Uprona“ – d. Red.). Wir sind der Meinung, daß damit die Armee wieder die volle Macht in Händen hält.

Meinen Sie, daß Deutschland die burundische Armee unterstützt?

So kann man das nicht sagen, aber die Europäische Union unterstützt die Regierungskonvention, und wir verstehen nicht, wie demokratische Länder ein Phantomregime stützen können.

Was erwarten Sie von Deutschland und der EU?

Wir erwarten, daß die EU die demokratischen Kräfte in Burundi unterstützt, nicht die Marionetten der Armee. In Burundi ist die Armee an der Macht. Sie will das Chaos aufrechterhalten. Es sind Minister umgebracht worden, 15 Parlamentsabgeordnete und sechs Provinzgouverneure. Es gibt keine richtige Regierung in Burundi.

Also ist auch die Regierungskonvention sinnlos?

Genau.

Aber wie kann sonst die Krise in Burundi gelöst werden?

Durch den Sturz dieser Armee aus Faschisten und Kriminellen.

Wie denn? Mit Gewalt?

Zum Beispiel. Oder mit den Mitteln, die wir schon am Anfang vorschlugen. Als die legitime Regierung noch amtierte, forderte sie die Hilfe der internationalen Gemeinschaft an. Niemand kam. Jetzt gibt es eine Phantomregierung, und alle wollen kommen. Das erscheint mir sehr verdächtig.

Wie denken Sie über eine UNO- Intervention?

Eine UNO-Intervention darf nur mit dem Einverständnis der Vertreter des burundischen Volkes geschehen. Es reicht nicht, einfach zu kommen und uns etwas aufzudrücken. Wenn man den jetzigen Präsidenten Ntibantunganya und Premier Nduwayo stützt, stützt man die Armee, die sich hinter ihnen versteckt. Wir verlangen Wahlen.

Ist für die Abhaltung von Wahlen eine ausländische Militärintervention nötig?

Ich denke ja. Oder man soll uns helfen, die burundische Armee zu neutralisieren.

Was halten Sie von Butros Ghalis Vorschlag, UNO-Truppen „präventiv“ nach Zaire zu schicken?

Wir sind nicht von vornherein dagegen. Aber wir fragen: Mit welchem Ziel? Um die faschistische Armee zu neutralisieren oder um sie zu stützen, indem man die Regierungskonvention unterstützt?

Aber die burundische Armee ist doch auch gegen UNO-Truppen ...

Vielleicht hat sie inzwischen Angst. Die Armee ist daran interessiert, daß die UNO nicht nach Burundi kommt, wo es Probleme gibt, sondern in die Nachbarländer, wo es keine gibt. Wenn die UNO Burundi helfen will, braucht sie bloß das Armeehauptquartier in Bujumbura zu besetzen.

Bekommen Sie Unterstützung aus dem Ausland?

Leider nein. Wir hätten gerne welche.

Es gibt Berichte, wonach die zairische Armee und ruandische Hutu Sie unterstützen ...

Nein, das ist eine Lüge. Man versucht uns zu beschmutzen, indem man uns als Hutu-Extremisten darstellt. Ich bin Tutsi – wie kann ich Hutu-Extremist sein? Früher verbreiteten Südafrikas Weiße Ähnliches über den ANC. Inzwischen weiß man, daß es gelogen war. Dasselbe passiert jetzt mit uns. Die Leute sollten Burundi nicht mit Ruanda vergleichen, sondern mit Südafrika. Interview: Dominic Johnson

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