piwik no script img

Volksverhetzung online ist kein Freizeitspaß

■ Thule-Mailbox-Betreiber wurde zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt

Schwetzingen (taz) – Zum erstenmal ist ein Mailbox-Betreiber in Deutschland für die Inhalte verurteilt worden, die er auf seinem Rechner gespeichert hat. Fast drei Jahre lang betrieb der „Joschi“ genannte Computerfreak in Oftersheim unter dem Namen „Elias“ eine Mailbox im sogenannten Thule-Netz der Neonazis. Im Herbst 1994 hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim seine Computeranlage beschlagnahmt.

Nun hat ihn das Amtsgericht Schwetzingen wegen Volksverhetzung zu drei Monaten auf Bewährung und 2.700 Mark Geldstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte auf dem Rechner zwischen Hitler-Bildern und Keltenkreuzen auch eine Botschaft aus dem Thule-Netz mit dem Titel „Zentralrat der Neandertaler“ gefunden. Darin werde „auf unterstem Niveau“ gegen Juden gehetzt, das sei „alles andere als Spaß“, stellte Richter Gerd Deißler fest.

Joschi, der sich selbst verteidigte, betonte, er habe den Text nicht verfaßt. Doch das Gericht sah eine Mitverantwortung: „Wer seine Stube nicht sauber hält, muß sich nicht wundern, wenn ihm jemand auf die Finger klopft.“ Der Angeklagte hätte „mit dem Besen den Schmutz aus dem Rechner kehren müssen“. Das hat Joschi aber erst nach Warnungen seiner rechten Kameraden getan. Tagelang war die strafbare Botschaft nicht nur allen Thule-Netz-Teilnehmern zugänglich, unter dem Namen und Passwort „Parole/ Spaß“ konnten sie auch Gäste abrufen. Joschi verzichtete auf Rechtsmittel, damit er so schnell wie möglich seine Computeranlage zurückbekommt. Er zähle sich nicht zur rechtsextremen Szene. Politisch, so wollte der 37jährige dem Gericht glaubhaft machen, ordne er sich „weder links noch rechts“ ein, „Kommunikation ist mein Hobby“. Ausweichend antwortete er auf die Vorwürfe des Staatsanwalts, er habe dem Rechtsextremisten Günther Deckert beim Aufbau einer Mailbox geholfen. „Ich würde auch einem Linken helfen.“ Daniel Ernst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen