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Scratch den Mussolini

■ DJ-Wettbewerb im „Woody's“: Ein Privatradio und ein Kreditinstitut luden in die Discothek, um vier Nachwuchs-DJs gegeneinander antreten zu lassen / Mehr als 100 Bewerbungen

Wenn „radio ffn“ im Verband mit den Volks- und Raiffeisenbanken alljährlich zum Bandnachwuchswettbewerb „Local Heroes“ ruft, sind die Säle für die Vorausscheidungen gerappelt voll. Wenn die gleichen Sponsoren Musik fördern, die nur vom Plattenteller bzw. aus dem CD-Player kommt, sieht es offenbar anders aus. Das zeigte zumindest anfangs der DJ-Nachwuchswettbewerb „Test the Best“, dessen Vorausscheidung für die Kandidaten aus Bremen und Niedersachsen am Samstag im Bremer „Woody's“ stattgefunden hat.

Beängstigend wenige fanden sich pünktlich um 21 Uhr in der Discothek am Rembertiring ein. Die Angst des DJs vor der leeren Tanzfläche mußte vor allem Heiko Henke überwinden, der den Abend einläutete. Wie seine beiden Mitstreiter und seine eine Mitstreiterin wirkte er noch recht jung und aufgeregt. Allerdings konnte er bereits auf achtjährige DJ-Erfahrung zu geringeren Anlässen sowie ein Gastspiel als Urlaubs-DJ in Spanien zurückblicken, weshalb er wußte, wozu sich gut tanzen läßt.

Zum Beispiel zu den neueren und meist chart-orientierten Soul-Grooves a la „Nightcrawlers“, von denen er in seiner halben Stunde Ruhm nicht abweichen mochte. Sein Erfolg manifestierte sich in der Tatsache, daß er es von null auf drei bis fünf TänzerInnen brachte, was für die Publikumsdichte beachtlich war. Letztendlich ging er dadurch sogar als Sieger des Abends hervor, der per Stimmzettel vom Publikum ermittelt wurde.

Neben 500 DM und einem „Woody's“-T-Shirt erhält er dafür die Möglichkeit, im März im Osnabrücker „Jam“ gegen die Sieger der anderen Vorausscheidungen anzutreten. Wer dort am gründlichsten abräumt, darf nach New York. Jedoch nicht zum Auflegen, sondern um den dortigen DJs „über die Schulter zu gucken“.

Als wäre die Stellung als einzige fitte Frau unter den über 100 BewerberInnen, aus denen Moderator Andreas Kuhnt mit seinem Team die vier Auftretenden auswählen mußte, nicht genug für Ina Lemkemeiers Außenseiterstatus, machten die Herren auch musikalisch Front gegen sie. Konzentrierten sich die Männer auf geschmeidige Tanzware, hatte Ina ihr Abitur scheinbar an der Rock'n'Roll-Highschool der „Ramones“ gemacht.

Sie übernahm eine inzwischen recht volle Tanzfläche vom pausefüllenden „Woody's“-Haus-DJ Nils und leerte sie zunächst durch einen garagigen Rock-Song, dem die eher robuste als high-fidele Sound-Anlage der Disco keinen Gefallen tat. Wie es sich für eine echte Rockerin mit langen Haaren, Muscle-Shirt und Spinnennetz-Tätowierung auf dem Oberarm gehört, behielt sie aber einen kühlen Kopf und demonstrierte ihre Vorliebe für die neuen „Ärzte“ und die alten „Sisters of Mercy“, was immer von gutem Charakter zeugt und mit dementsprechendem Zuspruch gewürdigt wurde, obwohl die DJane etliche Einsätze verpaßte und verpatzte.

Trotz größerer Professionalität war bei den verbleibenden Kontestanten Sven Keßenich aus Bremen und Alfred Schmock von Ohr von „nahe der holländischen Grenze“ nicht viel zu holen. Sven, der sonst in der Disco der Bremen-Norder Tanzschule „Lass“ Pubertierende zum Zappeln bringt, zeigte stur, worauf jene jetzt stehen: seichter Kommerz-Techno mit Micky Maus-Gesang. Alfred Schmock von Ohr hatte zwar den wohlklingendsten Namen, aber schon dadurch verloren, daß er seine dreißig Minuten als einziger auswendiggelernt witzig ansagte. Seine Musikauswahl mit „Culture Beat“ und „Captain Jack“ versöhnte freilich wenig.

Andreas Neuenkirchen

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