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■ QuerspalteRente in der Vorruhe

Westdeutschland ist ein friedliches Ländchen. Die Bürgersteige sind immer ordentlich gefegt, die rotwangigen Einheimischen bunt gekleidet. Anstatt Drogen zu nehmen, unterhalten sich selbst die Teenager tagaus, tagein in ihren „Szenekneipen“ über so superinteressante Sachen wie Lohnsteuerjahresausgleichsnebenkostenvoranschläge, Lebensversicherungsnachschlagsverhandlungen, Pflegeversicherungskostenlücken – und vor allem über ihre Rente. Ruhestandsvorsorgeregelungsproblemgeschichten werden an Szenestammtischnachmittagen erörtert, denn es war „schon immer richtig, ein zweites Standbein für die Altersversorgung zu haben“ (Blüm).

Ob man mit zwei Standbeinen laufen kann, sei dahingestellt. Jedenfalls ist die Rente der zukünftigen Veteranen in Gefahr, der Lebensabend auf den Malediven bedroht. Was soll aus uns noch werden!

Nur die Politiker bleiben ruhig. Weil sie, wie Norbert Gansel (SPD) neulich offenlegte, als Rentner noch mehr Geld kriegen werden als jetzt. Anders als die Normalbevölkerungsschicht lungert die Politfunktionsträgerklatur auch nicht ständig in Szenecafés rum und unterhält sich verdrossen über ihre Lebensabendsbezugsprobleme. Beispielhaft fröhlich genießen sie statt dessen das Hier und Heute, amüsieren sich wie Scharping in Dortmunder Techno-Diskos, machen Extremsport wie Heiner Geißler, Erlebnisbeten wie Claudia Nolte. Oder haben sich, wie Norbert Blüm gestern bekannte, „noch nie darum gekümmert, wie hoch meine Rente sein wird“. Er mache seine „Sache aus Überzeugung. Wenn's sein muß, auch für weniger Geld. Aber weniger wert als ein zweitklassiger Fußball- Bundesligaspieler bin ich auch nicht.“

Das ist schön und wird allen ehrabschneidenden Gerüchten ein Ende bereiten, der kleine Mann sei etwa Politiker geworden, um eine große, blonde Frau zu kriegen. Die Differenz zwischen seinem Gehalt und dem eines zweitklassigen Bundesligaspielers möchte Blüm bitte an die Überzeugungstäter der taz überweisen. Detlef Kuhlbrodt

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