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Grüne erste Reihe

■ In ihrem medienpolitischen Programm wollen die Grünen ARD und ZDF stärken und die Privaten kontrollieren

Manchmal ist der Ort schon das Programm. Am letzten Wochenende trafen sich rund 50 MedienpolitikerInnen der Grünen in Mainz beim ZDF, ihre letzten Tagungen hatten sie in den Räumen von NDR beziehungsweise dem Saarländischen Rundfunk verbracht. Das Mittagessen in der ZDF-Kantine bezahlten sie demonstrativ selbst. Vielleicht deshalb, weil ihr medienpolitisches Programm vor allem eins im Sinn hat: ARD und ZDF den Rücken zu stärken. Das Papier, das der Parteitag Anfang März endgültig verabschieden soll, fordert eine „ausreichende Rundfunkgebühr“ und die Möglichkeit, daß die Öffentlich-Rechtlichen „an neuen Formen und Sparten des elektronischen Medienmarktes teilnehmen“ können. Während CDU/ CSU und FDP die neuen Medien nach Möglichkeit den Privatsendern überlassen und die kleinen ARD-Sender abschaffen wollen, meinen die Grünen: „Die föderale Struktur der Bundesrepublik [...] erfordert ihren Preis.“

Fast überall waren sich die angereisten Grünen der „Bundesarbeitsgemeinschaft Medien“ einig, nur an einem Punkt wurde heiß debattiert. Sollen ARD und ZDF ihre rapide gesunkenen Werbeeinnahmen wieder ankurbeln dürfen, indem sie Spots auch nach 20 Uhr ausstrahlen? Doch nachdem Gastgeber und ZDF-Intendant Dieter Stolte die Grünen beruhigt hatte, die Werbeeinnahmen würden für ARD und ZDF in fünf Jahren ohnehin keine Rolle mehr spielen, konnte eine große Mehrheit erleichtert beschließen, die Werbefreiheit könne „zu einem Qualitätskriterium der öffentlich-rechtlichen Sender werden und eine weitere Selbstkommerzialisierung verhindern“. Zwei Landesverbände, die sich als Kinderschützer präsentierten und die gesamte Werbung auf die Zeit nach 20 Uhr verlegen wollten, konnten gerade noch durch das Outing eines pragmatischen Vaters („Meine Kinder gehen erst um halb zehn ins Bett“) abgebügelt werden.

Visionen gab es wenig, außer der Hoffnung auf ein freies und unzensiertes Internet. Die Multimediagesellschaft, so fürchten nicht zuletzt die bei den Grünen engagierten Freien Radios und Bürgerfunker, werde vor allem vermehrte Konzentration mit sich bringen und die alternativen Medien an den Rand drängen. Der Hamburger Professor Hans Kleinsteuber, den die Grünen in die Enquetekommission des Bundestages zur Informationsgesellschaft geschickt haben, warnte vor allem vor dem digitalen Radio DAB: Da dort immer Sender-„Pakete“ gemeinsam übertragen werden müssen, sei diese Technologie nichts für die Alternativsender. Immerhin fordern die Grünen jetzt, nichtkommerzielle Radios sollten bei Pilotprojekten und Modellversuchen einbezogen, ihre Kosten für Leitungen und Senderüberlassung von den Medienanstalten finanziert werden.

Während die Grünen hier mit ihrem engagierten Personal mittendrin stecken, zeigt sich in der Diskussion um die Kontrolle der privaten Fernsehsender, daß die Partei zwar schon an einigen rot- grünen Koalitionen beteiligt ist, aber dort, wo Medienpolitik gemacht wird, nicht vertreten ist – in den Stäben der Staatskanzleien und Medienanstalten.

Vor allem gilt dies für das Schlüsselland Nordrhein-Westfalen. Dort, so klagt Fraktionsvorsitzender Roland Appel, funktionierten die Koalitionsabsprachen auf allen Gebieten – außer Wirtschaft und Medien, wo Minister Wolfgang Clement den Partner (aber auch seine SPD-Fraktion) unverblümt spüren läßt, daß er allein die Fäden für den künftigen Rundfunkstaatsvertrag zieht.

Hier lehnen die Grünen die „Aufweichung der ... festgeschriebenen Beteiligungsgrenzen zugunsten eines Marktanteilmodells, das sowohl dem Kirch-Konzern als auch Bertelsmann weitere Expansionsoptionen eröffnet, ab“. Doch der Kompromiß, den die Länder gerade miteinander aushandeln, wird an ihnen wohl vorbeigehen.

Daß auf die Grünen in Zukunft doch noch Kontroversen um mehr oder weniger Marktwirtschaft in den Medien zukommen, blitzte nur an einem Punkt auf, der in dem Programmpapier gar nicht auftaucht: als Europaabgeordneter Frieder O. Wolf sich für eine EU- Richtlinie aussprach, nach der künftig 50 Prozent aller Fernsehprogramme in der EU europäischen Ursprungs sein müssen. Das sei zwar ein Heizer auf der E-Lok, aber doch ein „halbwegs wirksames Hilfsmittel“, um den europäischen Film zu schützen. Da schüttelte Rezzo Schlauch, der medienpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, zwar den Kopf und äußerte „Skepsis“. Doch den Streit vertiefen wollte niemand. Zu froh waren sie alle, dem nächsten Parteitag fast im Konsens ein medienpolitisches Programm auf den Tisch legen zu können.

Einig war man sich auch darin, das nächste Mal an neutralem Ort zu tagen. Michael Rediske

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