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Multikulti-Projekte fallen dem Rotstift zum Opfer

■ Interkulturelles Theater „Diyalog“ und zweisprachige Kitas stehen vor dem Aus

„Diyalog“, die interkulturelle Theaterbühne in Kreuzberg, steht vor dem Aus. Das Ensemble, das vor kurzem noch ein erfolgreiches Theaterfest organisiert hatte, hat bald keine Räume mehr, weil die Senatsverwaltung die jährliche Förderung in Höhe von 20.000 Mark gestrichen hat. Bereits für Januar und Februar konnte „Diyalog“ die Miete nicht mehr zahlen. Djavad Motamedi, Vorstandsmitglied des Nachbarschaftshauses in der Kreuzberger Oranienstraße, das „Diyalog“ beherbergt, forderte die Senatsverwaltung gestern auf, ihre Entscheidung zu revidieren. Solche existenzbedrohenden Kürzungen seien ihm völlig unverständlich. Zehn Jahre Kulturarbeit des türkisch-deutschen Ensembles mit seinen über zwei Dutzend Mitgliedern würden damit abgewertet. Und die Regierungskoalition strafe ihre eigene Ankündigung Lügen, künftig keine Bühnen mehr zu schließen.

„Es ist schwer, jemanden zu hassen, den man kennt“, sagte Motamedi gestern auf einer Pressekonferenz. Die interkulturelle Verständigung hätten sich alle Vereine im Nachbarschaftshaus in der Oranienstraße zur Aufgabe gemacht, und gerade diese sollten nun in Zeiten von Fremdenfeindlichkeit unter den Sparmaßnahmen leiden.

Denn es trifft nicht nur das interkulturelle Theaterprojekt. Auch der Kreuzberger Verein Kotti mit seinen zweisprachigen Kitas bekommt die Mittelkürzung zu spüren: 100.000 Mark fehlen. „Wenn der Bezirk das Geld nicht bereitstellen kann“, so Monika Wagner-Krämer, „können wir ab Oktober die Miete und das Personal nicht mehr bezahlen.“ Das wäre das Aus für die beiden Kitas in der Adalbert- und Dresdner Straße mit 60 Kindern und 20 MitarbeiterInnen. „Wenn die Kitas zu sind, wird Kotti auch bald am Ende sein“, prophezeit Wagner-Krämer. Das Kotti-Projekt Kiezgrün zur Begrünung von Hinterhöfen fiel schon zum Jahreswechsel dem Rotstift zum Opfer.

„Sozialpolitisch unverantwortlich“ nennt der Türkische Elternverein die Sparmaßnahmen, weil sie die Verbandsstruktur ethnisch- kultureller Minderheiten gefährdeten. Dies träfe AusländerInnen besonders stark, weil für sie diese Vereine „ein Stück Mitbestimmung“ seien und das fehlende kommunale Wahlrecht wenigstens teilweise kompensierten. Vor allem Jugendliche verlören die Hoffnung, als Mitglieder der Gesellschaft am politischen und sozialen Geschehen teilzunehmen.

Auch Wolf Müller, Ausländerbeauftragter in Mitte, bedauerte die Kürzungen. Wenn auch immer mehr Menschen aus den klassischen Einwanderungsländern wie der Türkei in den Ostteil Berlins zögen, „sind sie immer noch auf die Strukturen im Westteil angewiesen“. Bernd Kastner

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