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Sri Lanka kocht vor Wut

Die Cricket-Teams von Australien und den West-Indies verweigern Auftritt in Colombo  ■ Aus Delhi Bernard Imhasly

Eine gemischte indisch-pakistanische Cricket-Mannschaft reiste gestern nach Colombo, um ein „Goodwill-Game“ zu bestreiten. Das können die beiden Länder, deren Soldaten in Kaschmir gelegentlich heftig aufeinander schießen, bestens gebrauchen. Doch der gute Wille galt nicht den indisch- pakistanischen Beziehungen, sondern dem Gastgeber Sri Lanka. In Colombo sollten im Rahmen des am Montag eröffneten 6. Cricket- Weltcups, der gemeinsam von Indien, Pakistan und Sri Lanka ausgerichtet wird, vier Gruppenspiele des Sri-Lanka-Teams stattfinden. Doch übrig blieben nur die unspektakulären Matchs gegen Zimbabwe und Kenia, die Knüller gegen Australien und die West-Indies fallen aus. Beide Mannschaften weigerten sich nach dem Bombenanschlag vom 31. Januar im Herzen von Colombo, der über achtzig Menschenleben forderte, nach Sri Lanka zu kommen.

Dort tat man alles, um die verwöhnten Stars doch noch spielen zu sehen. Der Außenminister versprach Sicherheitsvorkehrungen, wie sie sonst nur ein Staatsoberhaupt erhält – ein abgeschirmtes Hotel, abgesperrte Zufahrtstraßen, scharfe Personenkontrollen im Stadion. Die australischen Cricket-Spieler winkten ab. Darauf intervenierte Sri Lankas Sportminister: Er sei bereit, mit den „Aussies“ im gleichen Hotel Quartier zu nehmen. Die Sportler weigerten sich immer noch. Die srilankische Regierung ließ nicht locker. Die Mannschaft könne ja in Indien oder auf den Malediven wohnen, ein Flugzeug würde sie zum Match nach Colombo bringen, vom Flughafen könnte sie ein Helikopter direkt ins Stadium transportieren, am gleichen Tag ginge es auf dieselbe Art wieder zurück. Und erneut machte der Sportminister den galanten Vorschlag, den ängstlichen Spielern während des Fluges die Hand zu halten.

Es nützte nichts: Die Australier blieben bei ihrem Entschluß und beantragten beim Organisationskomitee in Kalkutta einen anderen Austragungsort, da die inoffizielle Weltmeisterschaft ohnehin an 25 verschiedenen Orten stattfinde. Das OK lehnte ab. Daraufhin verzichteten die Australier endgültig, ebenso die West-Indies. Ein leichter Entschluß, denn beide Teams erreichen in ihrer schwachen Gruppe das Viertelfinale mit ziemlicher Sicherheit auch dann, wenn die Spiele in Colombo als verloren gewertet werden.

Ganz Sri Lanka kocht vor Wut und Enttäuschung, auch wenn das eigene Team mit den Punkten der ausgefallenen Parteien nun allerbeste Chancen aufs Viertelfinale hat. Wie in den anderen Ländern des Commonwealth ist Cricket in Sri Lanka Nationalsport. Im Vorverkauf war das Spiel gegen Australien binnen zwei Stunden ausverkauft gewesen, trotz der Eintrittspreise, die für einen Arbeiter ein halbes Monatseinkommen ausmachen.

Die Regierung kennt die Gefühle, die Cricket in der Volksseele weckt, und sie ließ nichts unversucht, um das Unheil abzuwenden. Der Außenminister rief Indien und Pakistan zu Hilfe und bat diese um Intervention bei der UNO. Gegen Australien griff er gar zur diplomatischen Keule – Sri Lanka würde eine Beeinflussung der anderen Länder als „feindlichen Akt“ betrachten; früher war dies der letzte Schritt vor einer Kriegserklärung. Der australische Außenminister Gareth Evans war denn auch erstaunt über die „kraftvolle Wortwahl“, fügte aber eilig hinzu, Australien führe nichts Böses im Schilde.

Zu guter Letzt meldete sich noch die LTTE („Tamilische Befreiungstiger“), mutmaßlich verantwortlich für das Attentat, das die Sportkontroverse ausgelöst hatte. Aus Paris ließ sich Lawrence Thilager vernehmen, der LTTE- Vertreter in Europa, und versicherte voller Anteilnahme, seine Organisation habe nichts gegen ausländische Sportler. An gutem Willen herrscht also kein Mangel – zumindest im Cricket.

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