: Kinkel brüllt, Kohl schweigt
■ Deutsche Kroatienpolitik steckt in der Sackgasse
Deutliche Worte des deutschen Außenministers nach seinen gescheiterten Gesprächen in Zagreb: Kinkel sprach gestern erstmals von „Sanktionen“ gegen Kroatien, weil Präsident Tudjman unverändert die nationalistischen Extremisten unter den bosnischen Kroaten unterstützt. Diese Warnung war seit langem überfällig, kam aber möglicherweise viel zu spät.
Die ins Auge gefaßten Schritte sind nicht einmal neu. Es geht nicht um wirtschaftlichen Druck, sondern lediglich um einen weiteren Aufschub der Maßnahmen, die nach der Vertreibung der Serben aus der Krajina im August 1995 ohnehin nur vertagt worden sind: die Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen zwischen der EU und Kroatien, die Einbeziehung des Landes in das EU-Aufbauprogramm sowie Finanzhilfe der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Außerdem ließ Kinkel noch ein Hintertürchen offen, als er darauf hinwies, daß gegen neue Gespräche zwischen Mostars Kroaten und Muslimen über den Koschnick-Plan zur Neuaufteilung der Stadt niemand etwas einwenden könne. Noch ist also nicht endgültig gesichert, ob die EU ihren Administrator nicht schließlich doch im Regen stehen läßt und zur Korrektur seines Planes nötigt.
Es fällt auf, daß sich Kanzler HelmutKohl aus der aktuellen Kontroverse um Mostar bislang völlig heraushält, obwohl hier das Dayton-Abkommen auf dem Spiel steht, für das er mit seiner Zeugenunterschrift in Paris eine politische Garantieerklärung abgegeben hat. Diese Zurückhaltung des Kanzlers nährt in Zagreb wie unter den Kroaten in Mostar mancherlei Spekulationen über das Gewicht des deutschen Außenministers und trägt nicht gerade dazu bei, daß die Worte Kinkels dort ernster genommen würden. Doch die bisherigen Versäumnisse der deutschen Kroatienpolitik sind nicht nur Versäumnisse der Bundesregierung. Die Bonner Opposition hat es bislang sträflich vernachlässigt, ihrerseits intensive Beziehungen zu demokratischen Kräften innerhalb wie außerhalb des kroatischen Parlaments sowie zu den wenigen von Zagreb noch nicht gleichgeschalteten staatsunabhängigen Medien aufzubauen. Mit solchen Kontakten könnten die innenpolitischen Gegenkräfte zum autokratischen Tudjman-Regime und zu dessen verheerender Politik gestärkt werden. Andreas Zumach, Genf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen