piwik no script img

Hamburger Kinobilder in Berlin

■ Alfred Hürmer über die heute beginnende Berlinale und seine Erfahrungen als Filmförderer

Alfred Hürmer, Jahrgang 1946, kennt das Filmgeschäft von allen Seiten. Seit 1971 war er unter anderem für Alexander Kluge und Edgar Reitz als Kameramann tätig. Seine erste Produktionsfirma gründete er mit Patrice Lecomte, Bruno Nuytten und Luc Béraud. Seit 1991 führt er die Berliner Integral Film. Darüber hinaus verschlug es ihn in diverse Film-Gremien: Er sitzt im Verwaltungsrat der FFA, der Filmförderungsanstalt und ist Mitglied der in Hamburg ansässigen EFDO, des European Film Distribution Office. Vor allem aber steht er seit Oktober letzten Jahres der FilmFörderung Hamburg GmbH vor.

taz: Wisssen Sie schon, was Sie sich auf der Berlinale ansehen?

Alfred Hürmer: Wollen Sie meinen Terminplan sehen? Dieses Mal wird es wohl nicht viel werden mit Kino. Ich versuche, Richard III und den neuen Film von Jodie Foster wegen Geraldine Chaplin anzusehen.

Und was machen Sie den Rest der Zeit?

Da ich noch bei der EFDO bin, die seit 7 Jahren von Hamburg aus hervorragende Arbeit leistet, steht eine wichtige Entscheidung an, die wohl auf der Berlinale gefällt wird. Nach einer Ausschreibung im Juli wird die EFDO umstrukturiert. Neben Hamburg bemüht sich Paris um den Sitz. In Berlin sollen Gespräche klären, inwiefern es gelingt, die Arbeitsplätze in Hamburg und die Bedeutung der EFDO für das Filmklima zu sichern.

Wenn man sich im Vergleich zu letztem Jahr die von Ihnen geförderten Filme ansieht, die bei der Berlinale antreten, so fällt auf, daß es weniger sind und keiner im Wettbewerb, also gegen Konkurrenz, starten will. Nehmen Sie die Berlinale nicht ernst?

Auf die Einladungen haben wir keinen Einfluß. Das entscheiden die Auswahlgremien in Berlin nach Maßgabe der einzelnen Sektionen (Forum, Panorama, Deutsche Reihe, Wettbewerb). Außerdem lief Der Totmacher in Venedig und Männerpension wurde vom Verleih vor die Berlinale gezogen, weil danach die Kinos verstopft sind. Davon abgesehen bin ich aber ganz zufrieden mit unserer Präsenz in Berlin. Die Kaukasische Nacht, von Gordian Maugg, etwa, paßt gut ins Forum, das ja ungewöhnliche Themen und eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm ins Zentrum rückt. Der Erfolg bemißt sich nicht daran, wie man im Wettbewerb vertreten ist.

Worum geht es dann? Suchen die Filme noch Verleihe?

Nein, unsere Filme haben alle einen Verleih gefunden. Aber nur auf Filmfestspielen bekommen junge Regisseure ihre erste Anerkennung. So wurde Detlev Buck, traditionell von den hiesigen Filmförderungen produziert, mit seinen frühen Filmen durch die Berlinale bekannt. Jetzt hat sein neuer Film, Männerpension, in nur 10 Tagen 700.000 Zuschauer angelockt. Es ist also eher eine Investition in die Zukunft.

Der Regisseur Hal Hartley hat bei einer Pressekonferenz zu seinem letzten Film gesagt, daß Flirt nur deshalb in Tokio und Berlin spielt, weil er dort Filmförderung bekam. Wie groß ist der Einfluß von Filmförderern auf ihr Produkt?

Das ist eine einfache Kosten-Nutzenrechnung. Der Hamburger Steuerzahler, vertreten durch den Finanzsenator, will natürlich wissen, wo sein Geld geblieben ist. Deshalb müssen wir sicherstellen, daß zwar nicht unbedingt Hamburg als Drehort, wohl aber die Hamburger Filmschaffenden davon profitieren, damit mehr Geld in der Stadt bleibt als ausgegeben wird. Und nach unseren Erfahrungen bleiben bei einem Spielfilm höchstens 1,8 Millionen Mark in der Stadt. Insgesamt müssen wir am Ende des Jahres der Stadt 50% gebracht haben. Ob das die Produzenten nun mit internationalen Verleihen, Videorechten oder dem Verkauf von Abspielrechten bewerkstelligen, ist mir dabei egal.

Das hört sich nach Buchhaltung an. Bei Ihrem Amtsantritt versicherten Sie aber gegenüber der taz hamburg (26. Oktober 1995) neben kommerziellen Erfolgen auch kleine Kunstfilme zu betreuen...

Wir haben bei der letzten Auswahl eine Menge Kurz- und Dokumentarfilme „kulturell gefördert“. Sie haben es aber mit einer komplizierten Situation zu tun. Zum einen fallen die 90minütigen Sendeplätze für Dokumentarfilme im Fernsehen mehr und mehr zugunsten kürzerer Formate weg. Zum andern schlägt eine Steueränderung durch. In den 70er Jahren gehörte der Kurz-und Dokumentarfilm noch zur Kinokultur, auch weil die Prädikatisierung Steuervorteile versprach. Heute werden sie von der Werbung ersetzt und der Nachwuchs muß sich an schwer finanzierbare Spielfilme halten, was ich sehr bedauere.

Interview: Volker Marquardt

Hamburger Filme im Panorama: Die Blinde Kuh am 22. 2., 21 Uhr, Atelier am Zoo sowie Reise ins Leben – Weiterleben nach einer Kindheit in Auschwitz am 21. 2., 17.45, Atelier am Zoo, und im Internationalen Forum: Die kaukasische Nacht am 19. 2. sowie Die Überlebenden am 22.2., jeweils 16.45 Uhr, Delphi

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen