Bart und Bombenleger

■ Macht Torsten Rommel vom Club an der Alster den angry young Hockeyspieler salonfähig? Von Clemens Gerlach

Wie so oft sind die Eltern schuld. „Die haben mir einfach einen abgesägten Schläger in die Hand gedrückt“, kann sich Torsten Rommel noch gut daran erinnern, wie er als dreijähriger zum Hockeyspieler wurde. Ein fast schon zwangsläufiger Schritt, war Vater Wolfgang doch damals Vorsitzender des UHC, später Präsident des Deutschen Hockey-Bundes. Der Name Rommel ist „ein Begriff in der Hockeyszene“, weiß auch der inzwischen 25jährige Filius. Vermutlich mehr – etwa eine Verpflichtung?

Mit den hohen Erwartungen – seine Schwester spielte in der Bundesliga – ist der Student der Wirtschaftsmathematik bislang gut zurecht gekommen. Druck scheint dem in dieser Hallenserie erfolgreichsten Spieler vom Club an der Alster (44 Tore) nichts auszumachen. Weil Todde, wie er genannt wird, keinen verspürt, ihn gar nicht erst an sich ran läßt? „Ich bin kein hundertprozentiger Hockeyspieler, daß ich für den Sport leben würde“, sagt er, der es leicht auf eine Schachtel Zigaretten pro Tag bringt, „es gibt noch wichtigere Sachen.“ Heimspiele des FC St. Pauli zum Beispiel („Dauerkarte für die Gegengerade“) oder „zu wissen, wo die Hafenstraße steht“.

Auch wegen dieser im gediegenen Hockeysport nicht eben geläufigen Einstellungen hat es für „die ausgeprägte Persönlichkeit mit dem Torriecher“, so Trainer Martin Siebrecht, nur zu sechs Länderspielen gelangt. „Auf Sicherheit zu spielen liegt mir nicht, ich mache auch Sachen, die mir der Trainer nicht gesagt hat.“ Doch solche Typen sind in der Nationalmannschaft nicht gefragt: Auch im Hockey geht der Trend zum pflegeleichten Standardakteur, für den das einstudierte Schema einziger Maßstab ist. Eines ist weit und breit nicht in Sicht: Individualität.

Davon besitzt der einen Meter und 78 Zentimeter große Rommel („Kampfgewicht 72 Kilo“) hingegen reichlich. Lange Haare, Ohrringe und Vollbart, dazu schwarze Lederhose und kariertes Hemd – Grunge und Slackertum hat der gelernte Stürmer zwar nicht erfunden, für Irritationen sorgen seine Auftritte im Hockey-Circuit aber selbst noch nach zwei Jahren in diesem Outfit, obwohl es niemand so recht zugeben mag. „Bombenleger“ nennen ihn manche oder „einer, vor denen die Eltern immer gewarnt haben“ – natürlich nur spaßeshalber. Und dennoch: Wo adrette Kurzhaarschnitte dominieren, fallen ein paar Strähnen doppelt in die Stirn. Doch vor offener Ablehnung und etwaigen Umerziehungsversuchen schützen ihn seine guten Leistungen. Illusionen macht sich der Nirvana-Fan trotzdem nicht: „Wenn ich schlechter werden würde, würde es natürlich schnell heißen: Kein Wunder, daß der so schwach ist, bei dem Lebensstil.“ Dann wäre der Bart wohl ab.

Das steht jedoch nicht zu befürchten. Rommel hat großen Anteil daran, daß Alster sich diese Saison wieder Hoffnungen auf das Erreichen der Endrunde machen darf. Ein Sieg heute abend (20 Uhr, Sporthalle Rüterstraße) gegen den Lokalrivalen und amtierenden Hallenmeister HTHC wäre ein Riesenschritt Richtung Halbfinale. „Wir sind die geschlossenere Mannschaft“, sagt der mögliche Bundesliga-Torschützenkönig („interessiert mich nicht“), der sich selber nicht als Einzelgänger betrachtet: „Man muß sich im Team unterordnen, anders geht das nicht.“ Eine besondere Stellung hat er dennoch inne, ob er es nun will oder nicht – vor allem seit er die Strafecken und Siebenmeter schießt.

Verstärkt Verantwortung muß er jetzt übernehmen, was ihm gar nicht behagt: „Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Vorbild zu sein.“ Dagegen sträubt sich Rommel, der es nicht wahrhaben will, daß er längst zum Rollen-Modell des angry young Hockeyspielers geworden ist. Daß er die kommende Feldserie pausieren wird, paßt da nur zu gut: „Ich will etwas Anderes als Hockey machen, häufiger zu St. Pauli oder ins Kino gehen.“ Vielleicht nicht einmal die schlechteste Methode, um vor zuviel Ruhm zu flüchten. Aber auch die geeignete?