Öko imaginär: Printe 96

Wirtschaftsstudenten der TU Berlin erproben ökologisches Management im Planspiel. Das Szenario ist bereits Realität geworden  ■ Von Volker Wartmann

„Ökologisch, demokratisch, gut“. So präsentiert sich die Dampff-Druck GmbH seit dem Wechsel der Geschäftsführung im Sommer 1995 der Außenwelt. Hans Dampff, der Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens mit knapp 100 Beschäftigten, formuliert die neuen, hochgesteckten Ziele der im Wedding ansässigen Druckerei: „Bei Dampff- Druck achten wir konsequent darauf, daß Umweltschutz bei sämtlichen unternehmenspolitischen Entscheidungen berücksichtigt wird. Dampff-Druck wird die sich aus unternehmerischer Verantwortung und Umweltschutz ergebenden Konflikte so lösen, daß der Umweltschutz soweit als möglich gefördert wird.“

Hochgesteckte Ziele, aber schließlich will das innovative Unternehmen die Zertifizierung nach der EU-Öko-Audit-Verordnung erreichen. „Umweltgerecht drucken“ lautet das Motto der Dampff- Druck GmbH. Darum sollen die Produktionsabläufe auch umweltbezogen optimal gestaltet werden. In der Produktion sollen nur Produkte eingesetzt werden, durch die Umweltbelastungen bei der Herstellung, dem Ge- oder Verbrauch und der Entsorgung ganz, beziehungsweise weitestgehend vermieden werden. Grundlage zur Umsetzung des Öko-Audits ist die aktive Mitarbeit sämtlicher Beschäftigter aus allen Arbeitsbereichen. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Bemühungen wurde Ende Januar auf der Printe 96 vorgestellt.

Nun ist die Printe 96 keine Druckfachmesse, sondern „lediglich“ die Abschlußpräsentation eines an der Technischen Universität Berlin (TU) durchgeführten rollengestützten Planspiels. So ist denn auch die Dampff-Druck GmbH kein reelles Unternehmen, sondern ein fiktives. Demzufolge sind die MitarbeiterInnen der Dampff-Druck GmbH auch keine DruckerInnen und Industriekaufleute, sondern etwa 20 StudentInnen der Betriebswirtschaftlehre im Grundstudium. „Durch die Simulation einer konkreten Unternehmenssituation sollen die Studierenden versuchen, realitätsnah innerbetriebliche Möglichkeiten umweltgerechten Wirtschaftens zu erarbeiten und sich mit diesbezüglich auftauchenden Schwierigkeiten und Interessensgegensätzen auseinanderzusetzen“, erläutert Kerstin Pichel, wissenschaftliche Mitarbeiterin und eine der InitiatorInnen dieser besonderen Lehrveranstaltung. Durchgeführt wird das Planspiel im Rahmen des Projekts „Ökologische Aspekte der Betriebswirtschaftslehre“ (ÖBWL), welches im Sommer 1993 von Tutoren ins Leben gerufen wurde. Inhaltlich strebt das Studienreformprojekt ÖBWL eine stärkere Einbindung ökologischer Gesichtspunkte in die bestehende Bertriebswirtschaftslehre der TU an. Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, daß Umweltschutz für die Unternehmen sowohl beträchtliche Risiken als auch erhebliche Chancen birgt. Und daß eine kurzfristige betriebswirtschaftliche Optimierung keine adäquate Antwort auf die Anforderungen einer dauerhaften, nachhaltigen Entwicklung darstellt. „Normalerweise haben es Ökonomen nicht gelernt, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen“, beschreibt Diplom- Volkswirtin Kerstin Pichel das allgemeine Dilemma der Betriebswirtschaftslehre. „BWL sollte interdisziplinärer sein. Ökologische, soziale und politische Aspekte sollten mehr Beachtung finden.“ So sei ein wesentliches Ziel des Seminars, daß die Studierenden von der rein ökonomistischen Betrachtungsweise von Problemen wegkämen.

Durch die didaktisch außergewöhnliche Form versprechen sich die InitiatorInnen eine Bereicherung des Studienalltags der Massenuniversität. Praxisorientiertes und motiviertes Lernen stehen im Vordergrund. Neben den fachlichen Lernzielen sollen auch außerfachliche wie Teamfähigkeit, Projektmanagement und Präsentationsfähigkeiten vermittelt werden. „Das Ergebnis unserer Arbeit ist ein Gruppenergebnis“, erläutert Hans Dampff alias Christian Reinhold, einer der drei ÖBWL-Tutoren, eine weitere wesentliche Besonderheit dieses Proseminars. Bei den TeilnehmerInnen kam das Seminar in Form eines Rollenspiels gut an. „Ich finde das Ganze sehr interessant. Es hat sehr viel Spaß gemacht“, so Fred Flinkmann, Mitarbeiter der Marketingabteilung bei Dampff-Druck alias Jonas Raabe, einer der Teilnehmer dieser besonderen Lehrveranstaltung. „Es ist zwar zeitaufwendiger als eine normale Übung, hat aber auch mehr gebracht. Dennoch stellt sich für mich die Frage, ob das Ganze in einem richtigen Unternehmen wirklich so abläuft wie in unserem Planspiel.“ Zumindest im Vergleich mit dem Öko-Audit-Zertifizierungsverfahren der Kreuzberger Druckerei Oktoberdruck sind Parallelen mit dem Planspiel der TU-StudentInnen zu erkennen.

Dort konnte nach anderthalbjähriger Arbeit im Herbst 1995 die Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes erfolgreich abgeschlossen werden. Die Firma ließ sich das 80.000 Mark kosten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz und der europäische Fond für regionale Entwicklung unterstützten das Projekt mit weiteren 40.000 Mark. Das Ziel wurde erreicht: Der Öko-Audit-Stempel der EU.

„Die innerbetriebliche Umwelt- Leitlinie wäre ohne die Einbindung und Vorschläge der Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen nicht in der Form zustandegekommen“, sagt Geschäftsführer Thomas Klesse. Die Befassung mit Umweltschutz und die ökologische Ausrichtung von Produkten wie auch der Produktion stünden bei Oktoberdruck in einer längeren Tradition und haben nach Angaben Klesses einen hohen Stellenwert für alle MitarbeiterInnen des 40köpfigen selbstverwalteten Betriebes.

1985/86 fertigten StudentInnen für den Betrieb eine Studie über die Umweltauswirkungen einer Offsetdruckerei an. 1988 wurde bei Oktoberdruck eine Fixierbadentsilberungsanlage installiert. 1992/93 wurde zur Verbesserung des betriebsinternen Umweltschutzes eine Lüftungsanlage im Drucksaal installiert, wodurch die Alkoholausdünstung erheblich reduziert werden konnte. Eine neue Farbpumpe zum Abfüllen von Farbe spart Verpackungsmüll. Zudem wurde das Lärmaufkommen durch den Einbau einer Akkustikdecke wesentlich reduziert. Ähnlich wie im Planspiel der TU-Studis wurde bei Oktoberdruck zur Umsetzung des Umweltprogramms ein innerbetrieblicher Umweltausschuß ins Leben gerufen, in dem MitarbeiterInnen aus sämtlichen Abteilungen vertreten sind. „So konnte in einem umfangreichen Prozeß ein Umweltmanagementsystem im Hause etabliert werden“, erläutert Klesse.

Jedes Jahr wird in enger Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen ein neues Umweltprogramm mit konkreten Zeitvorgaben erarbeitet. In den letzten Jahren gab es dadurch bei Oktoberdruck beispielsweise im Bereich Lösungsmittel und Energie erhebliche Einsparungen „Diese decken sich jedoch nicht mit den dafür notwendigen Investitionen. Umweltschutz kostet einfach Geld“, so Klesse.

Umweltgerechtes Produzieren wird bei Oktoberdruck mit Lohn- und Gewinnverzicht erkauft. „Das Ganze ist noch immer eine ideologische Frage. Bei uns ist nicht Gewinnorientierung das erste Ziel, sondern eine humane Umgehensweise mit Umwelt und Mensch.“ Dennoch ist die Öko-Audit-Zertifizierung für Oktoberdruck letztlich kein reiner Selbstzweck. „Wir erhoffen uns durch die Auszeichnung natürlich auch mehr Kunden, insbesondere die öffentliche Hand“, sagt der Geschäftsführer.

Seit einigen Monaten ist Oktoberdruck Mitglied des alternativen Unternehmensverbandes UnternehmensGrün, einem Verband zur Förderung umweltgerechten Wirtschaftens. Durch diese Mitgliedschaft erhofft sich Klesse unter anderem neue Kontakte, Informationsaustausch und Geschäftsverbindungen auf Öko-Unternehmensebene. „UnternehmensGrün steckt noch in den Kinderschuhen, verfolgt aber eine richtige Idee. Darum sind wir beigetreten.“ UnternehmensGrün hält eine konsequent ökologisch ausgerichtete Steuerreform für das wichtigste Instrument zur Einleitung eines ökologischen Srukturwandels. UnternehmensGrün-Geschäftsführerin Martina Schwendemann: „Durch Umstellung auf umweltgerechte Produktionsweise kommen viele oft an die Grenze der Konkurrenzfähigkeit.“

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