piwik no script img

Polizist als Anwalt der Mieter

Gesichter der Großstadt: Horst Porath (45) war leitender Polizeibeamter, ist linker Sozialdemokrat und kämpft als Baustadtrat gegen den Leerstand  ■ Von Uwe Rada

Hausbesitzer, die mit Leerstand spekulieren, haben es in Tiergarten schwerer als in anderen Bezirken. Zuletzt am 6. Januar dieses Jahres verhängte das Bezirksamt Bußgelder in Höhe von 29.000 Mark gegen die Besitzer einer Dachgeschoßwohnung in der Wilhelmshavener Straße. Die Eigentümer hatten die Wohnung fast zwei Jahre lang ungenehmigt nicht vermietet. Für den Tiergartener Baustadtrat Horst Porath ein Unding. Er ist immer wieder darüber „verärgert“, wenn Hauseigentümer „lediglich aus Profitgier dringend benötigten Wohnraum leer stehen lassen“.

Mittlerweile hat es der 45jährige gebürtige Berliner unter den Baustadträten der Innenstadtbezirke zur unumstrittenen Nummer eins im Kampf gegen den Wohnungsleerstand gebracht. Allein 1995 ließ er 230.000 Mark an Bußgeldern gegen „unverantwortliche“ Eigentümer verhängen. 1994 waren es 165.000 Mark. Seitdem der rot-grüne Senat das Leerstandsbeseitigungsgesetz verschärft hatte, hat Porath eine Million an Strafgelder eingespielt. Ein Engagement, das sich für den Bezirk freilich nur politisch lohnte: Die Leerstandsgelder fließen bislang in die Landeskasse, und auch nach der Verwaltungsreform ist unklar, ob Bußgelder künftig dem Globalhaushalt der Bezirke zugute kommen.

Für wichtiger als diese Frage hält der linke Sozialdemokrat Porath dagegen die Signalwirkung. Regelmäßig verhängte Bußgelder, sagt er, hätten nicht nur eine „abschreckende Wirkung“ auf Hauseigentümer, sondern würden auch die Bewohner aufmuntern, Leerstände dem Wohnungsamt zu melden. Eine Strategie mit Erfolg. Nur etwa zwanzig bis dreißig Wohnungen stehen in Tiergarten illegal leer.

Weitaus mehr Sorgen als der Leerstand in Moabit bereitet dem Sozialdemokraten denn auch der Zustand seiner Partei. Aus seiner Gegnerschaft gegen die Große Koalition hat er nie einen Hehl gemacht. Doch der „schleichende Abschied der SPD aus der Baupolitik“ macht ihn wütend. „Noch in den siebziger Jahren war es selbstverständlich“, erinnert sich Porath, „daß man sich um die Belange der normalen Mieter kümmerte.“ Mittlerweile allerdings habe sich der politische Schwerpunkt der SPD verlagert: hin zur Kultur, zur Bildungspolitik, zum neuen Mittelstand. Wie unwichtig die Baupolitik den Genossen noch ist, macht sich für Porath auch daran fest, daß es in diesem Bereich kaum noch Nachwuchs gibt: „Wer von der Sache was versteht, der geht eben nicht in die Politik, sondern in die Wohnungswirtschaft.“

Als Horst Porath in die Politik ging, stand die Mauer noch, ebenso wie die rot-grüne Koalition. Porath wurde 1989 Baustadtrat in seinem Heimatbezirk Tiergarten. Er setzte sich für das erste Berliner Milieuschutzgebiet im Stephankiez ein und setzte den Moabiter Ratschlag, ein Sammelbecken verschiedener Bürgerinitiativen, auf die Subventionsliste des Bezirks. Die größten Probleme kamen jedoch nach dem Hauptstadtbeschluß. Politisch ist Porath gegen den Tiergartentunnel („die größte Staugarage der Welt“) und den Bau eines Zentralbahnhofs am Lehrter Bahnhof. Als Stadtrat muß er dagegen versuchen, die städtebaulichen, verkehrspolitischen und sozialen Folgen zu dämpfen. Ein Kampf gegen Windmühlenflügel. „Die Spekulanten werden hier einfallen wie die Fliegen“, sagt er und nennt die Zahl der Wohnungen, für die bereits eine Umwandlung in Eigentum beantragt wurde: 5.000 sind es seit 1992. Um die befürchtete Verdrängung der ansässigen Moabiter zu verhindern, will Porath nun mit dem Bau- und Stadtentwicklungssenator darüber verhandeln, die Bodenpreise in der näheren Umgebung des Zentralbahnhofs einzufrieren.

Daß er sich seit 1989 als entschiedener „Anwalt der Mieter“ versteht, steht für Porath nicht im Widerspruch zu seiner Tätigkeit zuvor. Von 1981 bis 1989 war er Polizeihauptkommissar bei der Schutzpolizei und bei fast allen größeren Demos in der City-West der Verbindungspolizist zur Demoleitung. Bereits am Anfang seiner Polizeilaufbahn setzte der eher zurückhaltende Porath auf die Macht des Wortes. Er war Mitbegründer der „Gruppe 47“, die als „Psychobullen“ die Studentenproteste mit „Diskussionseinheiten“ zu entschärfen suchten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen