: Erste Runde ohne uns
■ Professor Carlos Berzosa über Spanien und die europäische Währungsunion
taz: In Spanien geht mit den Wahlen am 3. März eine Epoche zu Ende. Was bleibt von 14 Jahren sozialistischer Regierungszeit?
Berzosa: Zum einen der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft und der darauf folgende Wirtschaftsboom Mitte, Ende der achtziger Jahre und die Umgestaltung des franquistischen Almosensystems hin zu einem modernen europäischen Sozialstaat, wenn auch auf recht niedrigem Niveau. Auf der anderen Seite zeichnete sich die Wirtschaftspolitik vor allem durch strenge antiinflationistische Maßnahmen aus. Das Ergebnis: zu wenige Investitionen im Produktionsbereich und das Anwachsen des Finanzbereiches mit seinen schnellen Spekulationsgewinnen.
Als Felipe González 1982 antrat, fand er eine riesige, zum Großteil veraltete staatliche Industrie vor. Ist die spanische Industrie heute wettbewerbsfähig?
Ich glaube schon. Durch den EG-Beitritt sah sich der spanische Markt plötzlich ausländischen Produkten gegenüber, die zum einen qualitativ besser waren und zum anderen wesentlich billiger. Erst durch die Umstrukturierungsmaßnahmen und die Privatisierung wurde die spanische Industrie konkurrenzfähig. Das Problem liegt in den enormen sozialen Kosten, die der Modernisierungsschub hervorrief, die zu großer Unzufriedenheit in der Bevölkerung führten. Aber ohne die Umstrukturierung hätten wir im gemeinsamen europäischen Markt keine Chance gehabt.
Hat Spanien durch Europa gewonnen oder verloren?
Unterm Strich hat das Land davon profitiert; es war richtig, der EG beizutreten. Allerdings war die spanische Wirtschaft nicht genügend auf den Beitritt vorbereitet. Heute sind fast alle großen Unternehmen des Landes in der Hand von ausländischen Multis. Und die eigene, meist mittelständische Industrie wird zu wenig gefördert. Mit etwas mehr Voraussicht hätte man dem entgegensteuern können. Eindeutige Verlierer sind die traditionellen Bereiche wie Landwirtschaft und Fischfang.
Wird Spanien bei der Währungsunion dabeisein?
Bei der ersten Runde nicht – ebensowenig wie viele andere europäische Länder. Spanien erfüllt derzeit kein einziges Konvergenzkriterium. Es wird für keinen leicht, nicht einmal für Länder wie Deutschland oder Frankreich. Ich hoffe, daß der Prozeß verlangsamt wird.
Und wenn nicht?
Dann wird die Union auf eine Kerngruppe aus Deutschland, Frankreich, Benelux und Österreich zusammenschrumpfen. Für Länder wie Spanien darf das allerdings nicht heißen, sich mit dem Status als „out“ zufriedenzugeben. Wir dürfen auf keinen Fall die Chance verspielen, zu einem späteren Zeitpunkt beizutreten. Das wird dann zwar nicht leicht, aber wir sind es ja gewohnt, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Schließlich sind wir der EG damals auch sehr spät beigetreten. Interview: Reiner Wandler
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