Mehr Taschengeld für die Bezirke

„Realistischer Sparvorschlag“ für die Bezirke vorgelegt: Sachmittel sollen dort nur um 12,5 Prozent zurückgeschneidert werden. Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus wird beantragt  ■ Von Christian Füller

Die bündnisgrüne Abgeordnetenhausfraktion hat die Sparvorgaben des Senats für die Berliner Bezirke scharf kritisiert. „Wir wenden uns klar dagegen, die Bezirke zu stark zu belasten“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Sibyll Klotz. Klotz und die grünen Bezirkspolitiker Jörn Jensen (Tiergarten) sowie Dirk Jordan (Kreuzberg) legten gestern einen eigenen „realistischen“ Vorschlag vor. Danach wären die Sachausgaben in den Stadtteilen um 412 Millionen Mark zu senken.

Finanzstaatssekretär Frank Bielka (SPD) hatte die Bezirke vor zehn Tagen in einem Rundbrief aufgefordert, die Sachmittelausgaben für das Haushaltsjahr 1996 um 1,15 Milliarden Mark zu drücken. Dagegen hat sich eine parteiübergreifende Front von Bezirksbürgermeistern formiert. Ein Budgetschnitt um 1,15 Milliarden bei den Bezirkssachausgaben entspricht einer Reduzierung dieses Etatpostens um ein Drittel. Die Bündnisgrünen schlagen statt dessen vor, die Sachtitel der Bezirke nur um 12,5 Prozent zurückzuschneiden. Spitzensparer wären nach ihrem Plan Neukölln (35 Millionen Mark), Reinickendorf (30,9) sowie Spandau und Kreuzberg mit rund 30 Millionen Mark.

Sibyll Klotz bezeichnete diese Einsparungen als „etwas Machbares“. Der Senat bekämpfe dagegen die Ärmsten der Armen. Klotz bezog sich damit auf die vom Senat gewünschten Kürzungen bei Sozialhilfe, Jugendhilfe oder Wohngeld. Das sind an sich Leistungen nach Bundesgesetzen, die weder die Bezirke noch der Senat verweigern können.

Dennoch hatte Bielka den Bezirken in seinem Rundbrief mitgeteilt, daß ein Drittel der von ihm verkündeten Minderausgaben aus dem „Titel des ehemaligen Zuwendungsteils“ kommen müsse – das ist der Topf, aus dem die Bezirke Sozialleistungen erbringen.

Auf diese Zuwendungen haben die betroffenen Menschen einen Rechtsanspruch. Kürzungen seien hier nur im engen Rahmen des behördlichen Ermessensspielraums möglich, „aber niemals in dieser Höhe“, sagte Jörn Jensen, Bezirksbürgermeister von Tiergarten. Nach dem Willen des Senats soll allein der Bezirk Kreuzberg 50 Millionen Mark an Sozialleistungen sparen. Kreuzbergs Sozialetat beträgt insgesamt 450 Millionen Mark.

Sibyll Klotz kündigte an, die Einsparungen in den Bezirken zum Thema einer aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus am Donnerstag zu machen, wenn Eberhard Diepgen (CDU) seine Regierungserklärung vorträgt. Kürzungen dieser Größenordnung dürften nicht am Haushaltsausschuß vorbei entschieden werden.

Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen meinte weiter, die Sparpolitik schmerze sie, „weil sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg“ gemacht werde. Klotz betonte gleichzeitig, daß auch die Grünen „gezwungen sind, Deckungsvorschläge zu machen“. Ihre Fraktion sei gegen eine „weitere Vertuschung der gegenwärtigen Haushaltssituation“.