Frechheit siegt eben!

■ Schmidt-Theater: Désirée Nick debütierte in Hamburg

„Was wäre aus mir geworden, ohne Intelligenz, Talent und dicke Titten?“ fragt sie sich in ihrer Bühnenshow „Hollywud, ick komme“, und weiß es längst: Sie hat schon alles durchgemacht. Ihr erstes Solo vor zwei Jahren machte sie in Berlin zur Kultfigur, und seit ihrer Hauptrolle in Praunheims Neurosia ist sie ein Kinostar, oder auf dem Weg dahin. Vorher sah ihr Leben ganz anders aus: immer wieder ist sie ausgeschert, hat jedes Erwartungs-Korsett gesprengt und bei jedem Ausscheren erst einmal – bildlich gesprochen – Dresche kassiert.

Erst wurde die engbürgerlich und gläubig Erzogene Balletteuse mit Engagements an großen Opernhäusern. Als ihr die innere Schwanenseehaltung nicht mehr paßte, ging sie nach Paris. Das klingt schillernd, auch ihr Engagement im Lido de Paris. Doch beim Cancan tanzte sie sich nur vorzeitigen die Knochen kaputt.

Die Rückkehr in die Heimat war reumütig und schrecklich: bei Mutter, Oma und Tante unterzuschlüpfen, kein Geld, keine Perspektive zu haben und eben dreißig zu werden, das ist hart. Doch als sie entdeckte, daß ihre Stimme auf ganz eigene Weise Schwächen und Stärken von Stimmen wie der Marlenes aufweist, und als sie dann noch entdeckte, daß die harten Prüfungen des Lebens ihr ein dickeres Fell und einen bösen Sinn für Humor eingetragen hatten, stand ihr nichts mehr im Weg. „Nur Akne kann mich jetzt noch aufhalten“, verspricht sie, und alle glauben es sofort.

Nun steht sie da, perfekt plaziert in der Bühnenmitte und läßt mit ihrem Show-alter-ego die Bühnensau raus: Keine Zote ist zu derb, kein böser Spruch zu fies, wenn sie über ihr eigenes Leben und das der anderen spricht.

Die Kollegen sind ihr da nur Futter für die Fische, und die Männer sind reine Sexualobjekte. Schamlos vergreift sie sich an jeder Gürtellinie – auch der des Publikums – und singt zwischendurch Couplets mit Ironie und ohne tiefere Bedeutung – eine Rampensau eben, derb zotig und erfrischend ungestelzt, sexistisch und so perfekt als Diva der eleganten Gesten, daß die wenigsten sich wohl noch fragen, wo da die echte Désirée steckt. Dreist ist sie ein Star. Frechheit siegt eben. Das ist ganz banal – und sehr unterhaltsam! Thomas Plaichinger