Jünger verachteter Heiliger

■ Japan-Emigrant Jonathan More über Ninjas, sein Label, die Industrie, Coldcut und Salami-Pizza

Es ist einer dieser schiefergrauen Tage, die das Klischee vom Londoner Wetter einführten. Anstatt seinen Geschäften nachzugehen, zieht es Jonathan More deshalb vor, einen Journalisten der taz hamburg anzurufen. Jonathan More ist Mitbesitzer und „künstlerischer Leiter“ des mittelständischen Musik-Unternehmens mit dem programmatischen Namen Ninja Tune, dessen Geschichte wieder einmal die von Business gegen Kunst, von Sell-Out gegen Sell-On ist.

Zusammen mit Matt Black hatte More als Coldcut Millionenseller wie „The Only Way Is Up“ und „This Is The Right Time“. „Wir haben mehr zufällig Pop-Stücke gemacht“, blickt Jonathan More fast entschuldigend zurück. „Die ganze Business-Seite war aber völlig unappetitlich. Die Anwälte und A&R-Leute bei der Polygram wollten unsere Platten nicht veröffentlichen, verlangten aber, daß wir bei ihnen weiter unter Vertrag blieben.“

Nachdem sie so zwei Jahre zum Nichtstun gezwungen waren, beschlossen sie, nach Japan zu emigrieren. Dort entdeckten sie in Fernseh-Serien und Comic-Strips eine Figur für sich, die zur Metapher für ihre künstlerischen wie geschäftlichen Praktiken der Zukunft werden sollte. „Ein Ninja ist ein theatralischer Entertainer, ein verachteter Heiliger“, gerät Jonathan More ins Schwärmen. „Mit Hilfe von Spiegeln und Magie gelingt es ihm, zu verschwinden und wieder aufzutauchen, wie es ihm beliebt.“

Die fernöstliche Pop-Figur wurde zum Vorbild für ihr Label Ninja Tune. Seit den ersten Veröffentlichungen, den Jazz-Breaks-Samplern, die es mittlerweile auf sechs Ausgaben gebracht haben, ist Ninja Tune nicht beizukommen. Unter einem Dach versammeln sich abstrakte HipHop-B-Seiten, euphorische House-Perlen, aber auch US 3, die damals noch NW 1 hießen, mit „Sookie, Sookie“, das, als es ein Hit wurde, „von der Industrie unterdrückt wurde“. Da man bei einem Ninja nie wissen darf, was er als nächstes tut, wird wohl auch ihr Hamburger Auftritt hinter den Turntables eher ein Versteckspiel werden.

Zusammen mit DJ PC wird der wohlgenährte Jonathan More höchstselbst als DJ Food antreten, einem Projekt, das sich ganz dem Lukullischen verschrieben hat. Auf dem Cover von A Recipe For De-saster dreht sich eine Aufback-Pizza mit viel fettiger Salami auf einem Technics MK, dem Handwerkszeug eines jeden DJs.

„Ich sehe verschiedene Analogien zwischen Auflegen und Kochen. Man kocht an seinen vier Plattenspielern nur die besten Zutaten zusammen. Und das kann durchaus auch mal Salami sein.“

Aber auch das ist nur eine von vielen Erscheinungsformen, in denen die Ninjas, die Verwirrung stiften wollen, unter die Leute kommen. Anders als etwa das Mo'Wax-Imperium des geistesverwandten James Lavelle, das stark von Swiftys Layout zusammengehalten wird, läßt Jonathan More seine Layouter machen, was sie wollen, „auch wenn es nicht in die Mode paßt“.

Dabei kommt dann das recht herkömmliche Graffiti-Cover der Herbaliser zustande, den anderen DJs des Abends. Diese halten, das ist neu für Ninja Tune, auf Albumlänge eine jazzige HipHop-Stimmung durch und integrieren sogar einige Raps. „Das wäre nichts für mich“, winkt Jonathan More ab, bevor er in den Nieselregen verschwindet. „Auf Sänger muß man sich einstellen, wir lieben aber unsere durchgeknallten Geräusche zu sehr.“

Volker Marquardt

Heute, Donnerstag, 22 Uhr, Tempelhof/Camelot