Unverändert widerwärtig

■ Christoph Schlingensief drehte in Afrika „United Trash – die Spalte“

Peter Panne (Thomas Chibwe) sieht anders aus als andere Kinder. Als er nach mehreren Jahren Aufenthalt o-beinig aus dem Missionskrankenhaus in Zimbabwe stapft, verunstaltet seinen Schädel eine Spalte, die einer weiblichen Scheide ähnelt und aus der von Zeit zu Zeit gelblicher Schleim schießt.

Rückblickend vergegenwärtigt Peter Panne in einer gelungen gescheiterten Literaturverfilmung durch Christoph Schlingensief seine verworrene Biographie im Stile eines Oskar Matzerath. Seine Geburt mutet an wie das Wunder einer unbefleckten Empfängnis. Denn der UNO-General Werner Brenner (Udo Kier), der in blauer Mission durch Afrika stolziert, ist schwul und kommt als Vater kaum in Frage. Doch Martha, Werners sexuell frustriertes Super-Weib (Kitten Natividad, Star aus zahlreichen Russ- Meyer-Filmen), hat sich exorzieren lassen, um von ihrer verkorksten Sexualität geheilt zu werden – im öffentlichen Beischlaf mit dem exkommunizierten Bischof Pierre (Joachim Tomaschewsky).

Schon bei der Niederkunft sorgt Peter Panne für Aufsehen: Warum in Gottes Namen ist das Balg schwarz? Und das Zuckerpüppchen wird schnell das Objekt zahlreicher Begierden. Werners Allerliebster, der älteste Bodybuilder Deutschlands (Johnny Pfeiffer), prokelt dem Kleinen in geiler Vorfreude eine Murmel ins Nasenloch, ein mabuseähnlicher Arzt (Miklos König) prokelt weiter – so kommt's zur Spalte. Bischof Pierre hat seinen Gegen-Messias für die verhaßte Zentrale in Rom gefunden, der ortsansässige Diktator (Jones Muguse) einen menschlichen Antrieb für das Mitbringsel der Deutschen, eine V2-Rakete, die er den Clintons zum Heiligen Abend bescheren will.

Der Müll des ausgehenden 20. Jahrhunderts wird hier zusammengeworfen – UNO-Friedenseinsätze, ewig deutsche kolonialistische Gelüste, katholischer Missionseifer und Militärwahn in Afrika. Auf dem Gipfel dieses Schrottberges, wenn Brenner als Rumpf durch die Gegend rollt und der us-amerikanische Präsident sich das Weih-nachtsmärchen vorspielen läßt, steht ein posthumanistisches Credo, das sich gegen jegliche Form von Political Correctness sträubt.

Treffen jedoch kann Regisseur Christoph Schlingensief damit niemanden mehr. Zwar bleibt er stellenweise einzigartig grotesk und ist unverändert ekelig und widerwärtig. Den direkten Angriff aber, der in seiner Deutschland-Trilogie noch so zielsicher in heimische Untiefen traf, hat er aufgegeben. Statt dessen kreiert er ein Tohuwabohu, mit dem er sich selbst nur noch recyclen kann – und das verbreitet echte Endzeitstimmung.

Nicola Wessinghage

Fama, Metropolis