Durchs Dröhnland
: Tanzender Sessel

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wie wäre ein Abend mit Willy De Ville, dem Duke of Darkness des Swinger-Rock? Leider hat der auf seiner letzten Platte „Loup Garou“ einen ziemlich trockenen Background für sein gequältes Organ gewählt, der sich bei den üppigen Stellen auch noch anhört wie von Beamten gespielt, was ganz und gar nicht der verschwenderischen Hitzigkeit seiner Heimatstadt New Orleans entspricht. Schade, denn eigentlich war Willy, der Selbstentwurf, das Kunstprodukt mit dem hauchdünnen Oberlippenbärtchen, immer ein guter Grund, das angestaubte Rüschenhemd aus dem Schrank zu holen.

Morgen, 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Ein wenig Unruhe gab es zuletzt bei den alten finnischen Bekannten Waltari, weil Gitarrist Sami der Liebe wegen nach Berlin gezogen ist, während der Rest sich auf den Weg zum Superstartum wähnt. Ob das mit ihrem durchgeknallten Mischmasch was wird, soll dahingestellt bleiben. Lustig ist es auf jeden Fall immer noch, wie sie alles integrieren, ob nun Spacerock oder Folk oder diesen Mystizismus, der sich zwischen den Hochgeschwindigkeitsanfällen besonders obskur ausnimmt.

Di.,27. 2., 21 Uhr, marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Kaum zu glauben, daß es ausgerechnet Sid Griffin nach London verschlagen hat, denn mit den Long Ryders hielt er alle uramerikanischen Popmythen hoch, was vor allem natürlich Byrds hieß, über deren Gram Parsons der nebenberufliche Musikjournalist Griffin auch eine Biographie verfaßt hat. Doch auch in der alten Welt hat Griffin die alten Einflüsse nicht vollständig fahren lassen. The Coal Porters genießen weiterhin das Dwingeldwangel der übermächtigen Vorbilder, lassen die guten Zeiten rollen, ohne die Träne im Knopfloch zu vergessen und von unbeherrschter Weite zu träumen. London kann ganz schön staubig sein.

Di., 27. 2., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Würde die Augsburger Puppenkiste jemals als Schauplatz für ein Stück die Hölle wählen, Doo Rag wären dort die Hausband. Thermos Malling haut auf einer Pappschachtel oder irgendwelchen Metallgegenständen rum, während Bob Log auch nicht wesentlich Artikulierteres auf seiner Uraltgitarre produziert, ganz zu schweigen vom „Gesang“. Das Duo aus Tucson, Arizona, ist zum Kotzen intellektuell, aber schreiend komisch und vielleicht die Quintessenz aus Daniel Johnston, Jad Fair und Billy Childish. Kuhlbrodt wird es lieben.

Di., 27. 2., 21 Uhr, Insel, Alt- Treptow 7, Treptow

GWAR sind ja, wie allgemein bekannt, nicht nur Außerirdische, sondern auch für das Aussterben der Dinosaurier und das Entstehen der menschlichen Rasse verantwortlich, indem sie sich vor Jahrmillionen mit prähistorischen Affen paarten. Seitdem quälen sie ihre Geschöpfe mit unerträglichem Punkrock, einem Sänger, der nicht mal richtig falsch singen kann, schneidern sich Kostüme, bei denen man das Kotzen bekommt, und spritzen bei Konzerten mit Blut und Exkrementen rum. Das ist lustig, wenn man nicht zuhört. Regenmantel nicht vergessen!

Mi., 28. 2., 21 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108, Neukölln

Die unvermeidliche Wiederkehr des Immergleichen kann durchaus seinen Reiz haben, wie Bad Religion beweisen. Noch immer beginnen ihre Songs mit jenem charakteristischen, kurzen Gleiten über die Gitarrensaiten, und dann brettert's los. Und weil die Ramones sich gerade auf ihrer Farewell- Tour befinden und weil man Verläßlichkeit im Leben braucht, auch oder gerade als standhafter Punkrocker, müssen die vier von der Westküste weitermachen, auch wenn sie längst schon selbst Familienpapas sind. Neokonservatismus at its best.

Do., 29. 2., 20.30, Loft

Wie eine kleine, geruhsame Insel inmitten einer hektischen Suche nach der bpm- Schallgrenze wirken die Tracks von DJ Food, einem projektähnlichen Zusammenschluß einiger DJs, die bisher vor allem durch Remixe aufgefallen sind, die einigen bekannteren Menschen wie Yazz, Lisa Stansfield Eric B. & Rakim oder selbst James Brown Hits beschert haben. Meist entwickelt sich über einem spartanischen, aber sehr entspannten Jazz-HipHop- Break eine noch reduziertere Elektronik, die die originalen Stücke nurmehr ahnen läßt. Dazwischen schimmert viel Dub, ein wenig Techno und afrikanische Harmonien, natürlich Jungle und Funk. Da tanzt der Polstersessel.

Do., 29. 2. Boogaloo, Brückenstraße 1, Mitte

Noch eine hübsche, kleine Popband aus Britannien, noch eine, die weiß, wo man billig Beatles-Platten bekommt und wie rum man sie auf den Player legt. Aber Ablemesh können auch sehr elegisch werden, ihre Gitarren ein wenig ausfransen lassen und die Schrammelvariante des Britpop abliefern.

Do., 29. 2., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Ganz in der Tradition selbstwußter Frauen, die den Männern mal sagen, was Sache ist, kommt auch Cheralee Dillon daher. Deren letzte Platte beginnt programmatisch mit dem Song „Masturbation Trick“, in dem sie erst mal klarstellt, „I've never written an I love you song“, und dann erzählt von dem Trick in der Badewanne. Seitdem weiß sie, Wasser ist „the perfect lover“. Dazu spielt sie eine wenig aufregende Gitarre, selten darf auch das Cello ran. Auf Tour kommt sie ganz genügsam in der Mininmalbesetzung Gitarre/Schlagzeug, damit ihre Stimme verdientermaßen alle Aufmerksamkeit bekommt.

Do., 29. 2., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler