Dringend Licht in das Dunkel bringen

■ Jedes Jahr wird 150.000 Frauen in Deutschland die Gebärmutter entfernt. „Fünf Prozent wären sinnvoll“, sagen GynäkologInnen. Zusammen mit PsychotherapeutInnen suchten sie in Bremen nach neuen Wegen. in der Frauenheilkunde

Mit bangem Gefühl und schwitzigen Händen gehen die meisten Frauen zur GynäkologIn. Egal ob jung oder alt, fast allen Frauen ist es unangenehm, sich vor einem fremden Menschen zu entblößen. Der Arzt oder die Ärztin muß die Patientin abtasten, befühlen, anschauen. Handlungen, die normalerweise nur der Partner oder die Partnerin der Frau machen. „Was da in der Frauenarztpraxis geschieht, ist besonders sensibel“, sagt Heribert Kentenich, Gynäkologe an der Universitätsfrauenklinik Berlin.

Als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie (DGPGG) fordern er und seine KollegInnen daher, daß FrauenheilkundestudentInnen auch eine psychologische Ausbildung bekommen. „Das reine Lehrbuchwissen reicht nicht aus, um in der Praxis zu behandeln“, sagt Kentenich. Seit 25 Jahren bemüht sich die DGPGG daher, GynäkologInnen die weibliche Psyche näher zu bringen.

An den Unis jedoch werde gespart, und die Forderungen der DGPGG nach psychotherapeutischer Ausbildung der StudentInnen „fällt auf unfruchtbaren Boden“. Kentenichs Kollege von der Frauenuniversitäts-Klinik München kann ihm nur beipflichten: „Es gibt große Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen“, sagt der Frauenarzt und Psychotherapeut Manfred Stauber.

Bislang lernen die StudentInnen nur zu operieren und Medikamente zu verschreiben. Immerhin hat 1992 die Bundesärztekammer einen Vorschlag der Gynäkologie-Gesellschaft übernommen. Die Landesärztekammern müssen ihn nun umsetzen. Demnach müssen angehende GynäkologInnen 80 Stunden pschologischer Theorie und Praxis nachweisen, um ihre Zulassung von der jeweiligen Ärztekammer zu bekommen.

Seit Donnerstag tagen Kentenich und seine KollegInnen im Congress Centrum Bremen. Zu der Fachtagung sind rund 620 GynäkologInnen und Krankenschwestern, PsychotherapeutInnen und Hebammen gekommen. In der DGPGG sind etwa 1.000 der 15.000 deutschen Frauenärzte und Ärztinnen organisiert, mehr als in jedem anderen Frauenärzte-Verband.

Neben den beiden männlichen Präsidenten herrschen eindeutig Frauen auf dem Kongreß vor. Von den vier Themen, erregt vor allem der Schwerpunkt „Erotik in der Arzt/Ärztin-Patintinnen-Beziehung“ ihre Aufmerksamkeit (siehe Text unten). Das ist das Tabuthema schlechthin. Bislang war es allenfalls gut für Vorurteile und Stammtischwitze, nun hat die Bremer Gynäkologin Edith Bauer es bewußt auf die Tagesordnung des Kongresses gesetzt. „Erotik gibt es in allen zwischenmenschlichen Beziehungen“, sagt Bauer. Ärzte und Ärztinnen müßten sich dessen endlich bewußt werden. „Wir müssen das Thema erstmal zulassen und reflektieren“, fordert Bauer.

„Licht in ein weiteres Dunkel“ wirft auch die Gynäkologin Barbara Ehret-Wagener aus Bad Pyrmont. Noch immer entfernten ÄrztInnen bei rund 150.000 Frauen jährlich die Gebärmutter. Und obwohl die Zahlen sinken, nehmen die „operativen Eingriffe an den weiblichen Genitalorganen zu“, sagt Ehret-Wagener. Nur in fünf Prozent der Fälle sei eine Gebärmutter-Entfernung sinnvoll. So werde in Deutschland immer noch jeder dritten Frau ab 53 der Uterus entfernt.

Und das, obwohl medizinisch bekannt ist, daß das Organ physisch äußerst wichtig ist. Die Gebärmutter ist eng mit Blase, Darm und Vagina verbunden. Frauen leiden oft unter Ikontinenz und Verdauungsbeschwerden nach einer Operation. Zudem kommt der Hormonhaushalt durcheinander, der wiederum die Psyche der Frau beinträchigt. Die Gebärmutter ist zudem das körperliche Symbol und Organ, über das sich Frauen definieren. Ehret-Wagener spricht von ihr als „weiblichem Repräsentanzorgan“. Die Gebärmutter ist somit nicht nur ein physischer Inneraum, sondern auch ein psychischer.

Frauenärzte jedoch nehmen meistens nur die „äußeren Ausdrucksformen der Gebärmutter war“. Dieses sei „der Kern des Mißverständnisses zwischen Frauenärzten und Frauen“, sagt Ehret-Wagener. Und weiter: „Der Verlust dieses Innenraumes bewirkt nach der Hysterektomie sehr unterschiedliche psychosexuelle Beeinträchtigungen, je nach Relation der bewußten unangenehmen zu den bewußten gesunden Anteilen“. ufo