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Keiner will dem Vulkan helfen

■ Rexrodt: „SPD-Filz“ / Banker: „Subventionswirtschaft“ / Aktie sackt weiter

Die Proteste verhallen ungehört: Weder aus Bonn noch aus Brüssel gibt es Hinweise, daß der Bund oder die Europäische Union dem Vulkan mit den benötigten Milliarden aushelfen wollen. Die Anleger wittern Konkurs: Die Vulkan-Aktie sackte auf unter zehn Mark ab.

Wenn Brüssel weiter darauf bestehe, angeblich zweckentfremdete 800 Millionen Mark aus der Konzernkasse an die Ostwerften zurückzuführen, sei ein Konkurs unvermeidbar, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hero Brahms. Dies sei aber eine „Unsinnsforderung“. Im Vergleichsverfahren seien die Millionen ohnehin blockiert. Die Ost-Werften hätten dieses Geld „ganz überwiegend im Rahmen ihres normalen Cash-Aufbaus im Verbund angelegt“.

Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Harald Ringstorff (SPD) bestätigte, daß der Vulkan entgegen den Abmachungen mit der Treuhand seit 1993 kein eigenes Geld in die Ostsee-Werften investiert habe. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) hat Schuldzuweisungen der SPD an der Vulkan-Krise zurückgewiesen. Damit solle nur von der „jahrelangen Verfilzung von Bremer SPD-Senat und Vulkan-Management sowie der verfehlten Bremer SPD-Industriepolitik abgelenkt werden“.

Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) bemühte gestern das Grundgesetz, um in Bonn Finanzhilfen für die Werften lockerzumachen. Nach Artikel 104 sei der Bund verpflichtet, schwache Regionen zu schützen. Termine für Verhandlungen in Bonn gibt es aber noch nicht.

Nähere Informationen über das weitere Schicksal des Vulkan werden am Montag erwartet, wenn die Bankenvertreter beraten. Vergleichsverwalter Jobst Wellensieck will am Dienstag erste Erkenntnisse vorstellen. Vulkan-Chef Udo Wagner verhandelte dem Vernehmen nach gestern mit dem Vorstandssprecher der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau, Dieter Vogt. Vogt sagte der taz, er sei noch nicht konkret aufgefordert worden, dem Vulkan unter die Arme zu greifen. Er äußerte sich aber sehr kritisch zur „Bremer Subventionswirtschaft“. Unterdessen haben gestern auch die Vulkan-Werft GmbH und die Vulkan Marinetechnik GmbH in Bremen sowie die übergeordnete Vulkan Schiffbau Verbund GmbH Vergleich angemeldet, der ebenfalls von Wellensiek verwaltet wird. In Bremerhaven ging nach der Schichau-Seebeckwerft und der Lloyd-Werft mit der Geeste Metallbau GmbH auch die dritte Vulkan-Tocher zum Amtsgericht. Wolfgang van Betteray aus Düsseldorf wird Vergleichsverwalter.Meldungen, daß sich STN nun doch aus dem Verbund verabschieden wolle, wurden im Unternehmen zurückgewiesen. Die Existenz des Unternehmens sei in jedem Fall gesichert. Die Banken hatten STN mit einer neuen Kreditlinie von 200 Millionen Mark Liquidität verschafft. Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der „unerlaubten Weitergabe von Insider-Informationen“, die am 5.9 nach einer Vorabmeldung des Weser-Kuriers über neuen Geldbedarf des Konzerns zum Sturz der Vulkan-Aktie von 79 auf 58 Mark geführt hatte. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel hatte Anzeige erstattet. Allerdings sei nicht ausgemacht, daß die Indiskretion aus der Commerzbank in die Presse gekommen sei, sagte ein Sprecher des Amtes . Das Gespräch, bei dem es um einen neuen 300-Millionen-Kredit der Commerzbank gegangen sei, habe schon am 30. August stattgefunden. Der Kreis der möglichen Informanten habe so auf bis zu 100 Personen anwachsen können: Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Banker und Leute aus dem Konzern hätten von den Vulkan-Nöten gewußt. jof

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