: Mercedes kündigt per Telegramm
■ Tochterfirma in Brasilien stellt Karosserieproduktion ein
Rio de Janeiro (taz) – Die Kündigung kam über Karneval. Während der tollen Tage trennte sich Mercedes Benz do Brasil, die Tochterfirma der Daimler Benz AG in Brasilien, von 1.200 Mitarbeitern per Telegramm. Als Grund für die Massenentlassungen gab die Firmenleitung die Einstellung der Karosserieproduktion an. Nach heftigen Protesten von der Metallarbeitergewerkschaft vor der Fabrik in Campinas bei São Paulo erklärte sich die Konzernleitung bereit, einen Teil der Kündigungen zurückzunehmen.
„Die Stimmung ist schlecht“, meint Adi do Santos Lima, Betriebsratsvorsitzender bei Mercedes Benz do Brasil. Die Gewerkschaft sei gegen die Kündigungen machtlos. „Bei der niedrigen Produktion und Kurzarbeit ist es unmöglich, einen Streik zu organisieren“, erklärt Santos Lima. Seit August vergangenen Jahres ging sowohl die Produktion von Bussen als auch von Lastwagen drastisch zurück. Statt 174 Lastwagen gehen zur Zeit 130 Nutzfahrzeuge pro Tag vom Band. Die Omnibusproduktion wurde von zwölf auf drei Stück pro Tag heruntergeschraubt.
Normalerweise steigt der Absatz von Nutzfahrzeuge in Wahljahren – in diesem Herbst stehen in Brasilien Gemeindewahlen an. „Doch die hohen Zinsen zögern die Erneuerung der Busflotten hinaus“, kommentiert Betriebsratsvorsitzender Santos Lima die Antiinflationspolitik von Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso. Die Arbeiter zahlten die Zeche. Der Grund für die sogenannte Strukturreform beim größten Nutzfahrzeughersteller in Lateinamerika ist nicht nur der stockende Absatz, sondern auch die angeblich billige brasilianische Konkurrenz. „Für Mercedes ist es günstiger, die Karosserie beim Konkurrenten einzukaufen, als sie selbst zu produzieren“, räumt der Vorsitzende der Metallarbeitergewerkschaft, Eliezer Mariano da Cunha, ein. Astrid Prange
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen