: „Schlechter gestellt als Ostdeutschland“
■ Manfred Richter, FDP-Oberbürgermeister von Bremerhaven, klagt, der Vulkan habe nur in Ostdeutschland investiert, in Westdeutschland nicht: „Wir haben gelitten“
taz: Sie finden, die neuen Länder bekommen zuviel Geld vom Bund. Der Osten kann aber doch nichts dafür, daß es den Werften in Bremerhaven so schlecht geht.
Manfred Richter: Das habe ich auch nicht gesagt. Aber ich sehe eine Disparität im Förderszenario in Deutschland. Heute sind in Westdeutschland einzelne Standorte – dazu gehört Bremerhaven – von ihrer Struktur her schlechter gestellt als einzelne Standorte in Ostdeutschland. Ein Förderszenario, das nur an dem Kriterium Ost- West aufgehängt wird, kann man nicht mehr vertreten.
Schürt diese Position nicht einen Ost-West-Konflikt?
Ich sehe in meinem Standpunkt eine Objektivierung. Ich habe Schwierigkeiten, einem Schiffbauer zu erklären, daß sein Arbeitsplatz von Bremerhaven nach Rostock verlagert wird, wenn in Bremerhaven eine Arbeitslosenquote von 19,1 Prozent herrscht und in Rostock von 15,9. Und dafür liefert er mit seinem Solidarbeitrag auch noch die finanzielle Grundlage. Ich will den Ostwerften ja gar nichts Böses – die brauchen das Geld. Ich meine nur, daß ein Standort wie Bremerhaven genauso behandelt werden muß wie ein mecklenburgischer. Die Probleme sind die gleichen.
Die Ursachen sind doch aber ganz unterschiedlich. Wer hat im Westen versagt?
Das ist keine Frage der individuellen Schuld. Bremerhaven hat ein Strukturproblem, nämlich eine einseitige Ausrichtung auf den Schiffbau. Wir arbeiten jetzt daran, unsere wirtschaftliche Basis zu verbreitern.
Daß die Schiffbauindustrie in Deutschland nicht lukrativ ist, ist seit 20 Jahren klar. Deshalb hätten Sie mit dem Strukturwandel schon früher anfangen können.
Das ist leicht gesagt. Strukturwandel kann man nicht verordnen. Wir haben jetzt in der Bremerhavener Kommunalpolitik begriffen, daß das Umstricken einer Wirtschaftsstruktur etwas ist, an dem alle mittun müssen. Daß es im Schiffbau mit Aufträgen, die nicht kostendeckend sind, so nicht weitergehen kann, ist jedem klar. Wir haben darunter gelitten, daß der Vulkan in Ostdeutschland investiert hat und in Westdeutschland nicht. Deswegen sind wir mit der Produktivität im Rückstand. In Mecklenburg entstehen ganz moderne Werften.
Die Investitionen in Mecklenburg zahlen die Steuerzahler. Sie fordern jetzt also vom Steuerzahler Modernisierungssubventionen für Bremerhaven.
Nach EU-Recht ist es nicht zulässig, daß direkte Subventionen in den Schiffbau fließen. Ich glaube, der Bremer Vulkan wird nicht als Verbund bestehen bleiben. Ich glaube an eine regionale Lösung. Wir müssen unseren Standort sichern und Mecklenburg seinen. Wir müssen modernisieren und rationalisieren. Wir haben hier in Bremen mit der Klöckner-Hütte ja schon mal sowas gemacht, wo interimistisch der Bremer Staat tätig geworden ist. Ohne das Engagement wäre der Betrieb damals dicht gemacht worden. Ziel muß es sein, den Werftstandort Bremerhaven zu erhalten. Was das kostet, kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, welche Unternehmensteile vom Vulkan jetzt rausgekauft werden. Es wird aber eine große Summe sein, sicherlich im dreistelligen Millionenbereich.
Die auf Kosten des Landes und des Bundes gehen?
Ich weiß nicht, wer sich daran im einzelnen beteiligen wird. Wir sind ja erst seit ein paar Tagen mit der Situation konfrontiert.
Ist Schiffbau in Deutschland nicht Altindustrie, der ohne Subventionen nicht zu halten ist?
Nein, das ist Hochtechnologie. Wir brauchen, was die Arbeitskräfte angeht, den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Wir müssen aber die Kosten senken.
Das bedeutet auch den Verlust von Arbeitsplätzen.
Wenn wir die Produktivität steigern, wird das anders nicht gehen. Interview: Annette Jensen
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