Vulkanesen wollen von nichts gewußt haben

■ EU leitet zwei Verfahren wegen Mißbrauchs öffentlicher Gelder ein. Wirtschaftsminister Rexrodt und Aufsichtsrat Teichmüller beteuern Unkenntnis

Berlin (taz) – Die EU-Kommission entdeckt bei der Überprüfung der Beihilfen für den Bremer Vulkan immer neue Ungereimtheiten. Seit gestern hegt sie den Verdacht, daß das Land Mecklenburg-Vorpommern den ostdeutschen Werftstandorten unerlaubt eine Beihilfe in Höhe von 112 Millionen gewährt hat. Außerdem leiten die EU-Kommissare jetzt gegen den angeschlagenen Konzern in Bremen zwei Verfahren wegen Mißbrauchs öffentlicher Beihilfen ein: Die Vulkan-Manager hatten offenbar Hilfsgelder für Ostwerften in marode Westbetriebe gesteckt.

Bei einer Bundestagsdebatte stellte sich Wirtschaftsminister Rexrodt gestern als betrogener Saubermann dar: „Wir sind hinters Licht geführt worden.“ Die Bundesregierung habe sich auf die Testate einer „sehr renommierten Wirtschaftsprüfungsfirma“ verlassen – und die habe die ordnungsgemäße Verwendung der Bundesmittel bestätigt. „Die Testate waren falsch“, behauptete Rexrodt gestern.

Die so gescholtene Firma C&L Treuarbeit aus Frankfurt am Main will diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Wer derartige Prüfberichte lesen könne, hätte über die tatsächliche Verwendung der Mittel Bescheid gewußt, hieß es von seiten des Unternehmens gegenüber der taz.

Rexrodt sagte, die Regierung werde sich jetzt mit den Rechten und Pflichten von Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfgesellschaften auseinandersetzen. Noch gestern hatte Frank Teichmüller, der für die IG Metall im Vulkan-Aufsichtsrat sitzt, laut dpa erklärt, er habe „von nichts gewußt“. Aufsichtsräte tagten dreimal im Jahr. „Dabei werden uns Unterlagen vorgelegt, die durch Dritte – in der Regel von Wirtschaftsprüfern – geprüft werden.“ Wenn diese zu dem Ergebnis kämen, die Bilanzen seien korrekt, dann verließen sich alle Mitglieder des Aufsichtsrats auf diese Wertung.

Während die Redner von CDU und FDP die Verantwortung für das Vulkan-Debakel einem SPD- und Gewerkschaftsfilz in Bremen zuschrieben, wiesen die SprecherInnen der Opposition vor allem auf das Versagen der Bundesregierung und der Treuhandnachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) hin. Bernd Neumann von der CDU in Bremen nannte hierbei allerdings auch die Banken als informierte Kreditgeber und Aufsichtsratsmitglieder.

Der Bremer Bürgermeister Henning Scherf bat in hanseatisch höflicher bis devoter Haltung um Hilfen für sein Land aus den Kassen vom Bund und der EU. „Wir sind ein Fall von Strukturkrise.“ Die Schaffung alternativer Arbeitsplätze sei ein langer und teurer Prozeß. Rexrodt lobte seine Bittstellerhaltung und sagte Unterstützung zu. Annette Jensen

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