Bratwurst blau

■ Nur noch heute: Cora Frost tischt ihr neues Menü im Jungen Theater auf

Mit unwiderstehlichem Biß präsentierte Cora Frost am Mittwochabend ihr neues Menü im Jungen Theater. Im neuen Programm widmet sie sich wieder den Hoffnungen der Großstadtmenschen: „Die Bratwurst ist ja zum eigentlichen Symbol der Sehnsucht in den neunziger Jahren geworden“, sagt Cora Frost. Im letzten Jahrhundert himmelten Männer und Frauen in romantischer Verzückung noch die blaue Blume an, suchten sie auf den Kreidefelsen auf Rügen oder an den schroffen Berghängen über Oberammergau. Vorbei.

Heute stehen Männer in Schlafanzügen auf Balkonen in Berlin-Marzahn oder dem Münchner Hasenbergl, rauchen und sehnen sich nach einer heißen Bratwurst inmitten der Hochhausschluchten. Insofern, meint Cora, könne man durchaus von der „blauen Bratwurst“ sprechen. Sie ist heiß, saftig, anschmiegsam – erfüllt sie nicht alle Wünsche eines einsamen Menschen? Generationen von KunsthistorikerInnen werden sich daran abarbeiten können.

„Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist so blau“, nennt Cora Frost ihr neues Programm. Mit dabei ist wieder die „Sex-Shop-Geige“ Hans Jehle, dem die Mußestunden hinter der Kasse eines Porno-Ladens offensichtlich gut getan haben. Selten sah man einen Geiger so bravourös spielend die Hüften schwingen. Pianist und Komponist Gerd Thumser begeisterte das Publikum ebenso.

Cora Frost selbst juchzte und gurrte, jodelte und trällerte ihre „Wildschweinserenade“ und die Geschichte der homosexuellen Krankenschwester Paula Maus. Neben diesen Klassikern schnurrt auch „Hannelore vom Halleschen Tore“ durch die Reihen Coras skurriler Frauengestalten.

Im zweiten Teil wurde die schüchterne Gesamt-Künstlerin ruhiger. Ihre Lieder und Geschichten sind eh traurig, und so spielten Thumser und Jehle melancholisch verhalten zu „Nathalie“ auf. Zum Unmut einiger Fans: An manchen Größen darf man sich vielleicht einfach nicht vergreifen. ufo

Heute um 20.30 Uhr, Junges Theater, Friesenstr. 16-18