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Ost-Timor wird zum asiatischen Thema

■ Vor dem Treffen asiatischer und europäischer Staatschefs in Bangkok greift ein NGO-Gegengipfel heiße Eisen auf

Bangkok (taz) – Die asiatische Informationsblockade über Ost- Timor ist gebrochen. Das ist der Haupterfolg einer Konferenz von über hundert regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs), davon rund ein Viertel aus Europa. Die NGOs wollten auf ihrem dreitägigen Treffen in Bangkok, das gestern zu Ende ging, alle Themen zur Sprache bringen, die beim heute beginnenden Asia-Europe- Meeting (Asem) der Staatschefs unter den Tisch fallen werden: die Auswirkungen der Handelsliberalisierung auf Frauen, Umwelt und Arbeitsbedingungen sowie die Verletzung der Menschenrechte.

Seit Tagen schon sind die thailändischen Zeitungen voll von Berichten über den NGO-Gegengipfel. Die Neugier der Presse war geweckt worden, nachdem die Regierung im Vorfeld erwogen hatte, das kritische Treffen zu verbieten. „Das erinnerte uns sehr an die Zeit der Diktatur“, erklärte Sonny Inbaray, Redakteur der Bangkoker Tageszeitung The Nation. Sogar über das asiatische Tabuthema Ost-Timor, eine von Indonesien 1976 annektierte ehemalige portugiesische Kolonie, wurde in den letzten Tagen ausführlich berichtet. Noch vor wenigen Wochen war – auf indonesischen Wunsch – José Ramos Horta, der Auslandsrepräsentant des osttimoresischen Widerstands, von der thailändischen Regierung zur „unerwünschten Person“ erklärt worden. Er konnte deshalb nicht an der NGO-Konferenz teilnehmen.

Das große Interesse der thailändischen Öffentlichkeit könnte durchaus Auswirkungen auf den Asem-Gipfel haben, bei dem die Staatschefs der 15 EU-Staaten mit Vertretern der sieben Asean-Mitglieder sowie China, Japan und Südkorea zusammentreffen. Denn die „Schlußfolgerungen“ des thailändischen Premiers werden das einzige offiziell veröffentlichte Gipfeldokument darstellen.

Unterdessen spitzt sich der Konflikt zwischen Portugal und Indonesien zu. Portugals neuer sozialistischer Regierungschef Antonio Gutiérrez versprach ausdrücklich, das Thema Ost-Timor anzusprechen. Der ehemalige indonesische Militärchef und jetzige Minister Murdiono konterte sofort: „Eine Konferenz dieser Bedeutung sollte von Portugal nicht dadurch ruiniert werden, daß es irrelevante Fragen anspricht, die nicht von gemeinsamen Interessen sind.“ Gerüchten zufolge wird Indonesiens Präsident Suharto das Treffen verlassen, wenn Gutiérrez seine Ankündigung wahrmacht. Beobachter fürchten eine „diplomatische Katastrophe“. Eigentlich sollte das Asem-Treffen Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen beiden Kontinenten ankurbeln.

„Selbstbestimmung für Ost-Timor“ war eine der zentralen Forderungen der NGO-Konferenz. Außerdem wurden die asiatischen Länder davor gewarnt, dem Drängen der EU-Staaten nach einem Investitionsabkommen mit der Welthandelsorganisation nachzugeben. Die Öffnung von weiteren lokalen Märkten für die vermeintlich überlegenen westlichen Multis würde viele örtliche Industrien in den Bankrott führen.

Keine klare Haltung fand die Konferenz zur Frage von Sozialklauseln in Handelsverträgen. Der Versuch, den internationalen Handel an soziale Mindestbedingungen zu binden, wird in Asien als „verdeckter Protektionismus“ gebrandmarkt. „Man kann beim ersten asiatisch-europäischen NGO- Treffen noch keine Lösung so komplexer Fragen erwarten“, erklärte Jürgen Maier von der deutschen Asien-Stiftung. „Ich bin mir aber sicher, daß wir mehr Output erreicht haben, als vom offiziellen Gipfel zu erwarten ist.“

Zu den klaren Erfolgen der Konferenz gehört die einmütige Zurückweisung eines Konzepts „asiatischer Werte“, die eine Unterordnung des einzelnen unter die Interessen der Gemeinschaft proklamierten. Dieses Konzept war von der indonesischen und chinesischen Regierung immer wieder angeführt worden, um westlichen Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte entgegenzutreten. Christian Rath

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