Nachschlag

■ Trilogie von Christian Martin im theater 89 uraufgeführt

„Traumreise. Ein Spiel“ liest ein kleiner Junge im Off gewissenhaft vor. Dann fährt aus der Tiefe der Bühne ein junges Paar auf einem Gabelstapler heran und sitzt eigentlich im Zug zum Flughafen Schönefeld. Nach Moskau geht es. Und nach Sotschi am Schwarzen Meer. Eine Hochzeitsreise, von Andys Eltern bezahlt. Der Gabelstapler wird zum Flugzeug, zum Bett und zu einer Nußschale von Boot, mit dem sie eine Mondscheinfahrt machen. Dafür muß Sandy ihre Jeans verkaufen, denn reich sind sie nicht. Und einigermaßen freudlos unterm Honeymoon.

Der 46jährige Dramatiker Christian Martin hat „Traumreise“ 1982 als Hörspiel geschrieben. Unter dem Titel „Vogtländische Trilogie“ stellte er es dann acht Jahre später zwei weiteren Stücken („Abseits“, „Golan“) voran. Entstanden ist die Geschichte von Andy und Sandy in drei eigenständigen Akten, die Hans-Joachim Frank jetzt im theater 89 uraufführte. Andy und Sandy? So heißen heute doch nur noch Clowns. Oder Helden eines Jugendbuchs. Die Namen sind so altbacken trendy, wie der Fortgang der Geschichte kalkulierbar. Das ganze Elend der zu früh geschlossenen Ehe. Sie, 20, will ein Kind, er, 24, klebt bei der WM vor dem Fernseher und jubelt Karl-Heinz Rummenigge zu. Anfang der 80er in der DDR war das in seiner ganzen ideologiefernen Kleinbürgerlichkeit sicher subversiv gesamtdeutsch.

Im Oktober 1989 wird Sandy bei einer Demonstration zusammengeschlagen. Und noch ein Jahr später will Andy die Ärmel hochkrempeln, aber Sandy springt vom Balkon. Der politische Wandel verändert die Figuren nicht. Sandy ist ängstlich und voll unerfüllbarer Sehnsucht von Anfang an, während Andy für den Pragmatismus steht. Ein Das-gab's-Volksstück, dessen stilisierte Dialektsprache bei Hans-Joachim Frank auch gar nicht so gut aufgehoben ist. Denn dieser frönt ja selbst einem stilisierten Realismus, der – Verfremdung des Verfremdeten – die Trilogie als Abfolge von Standbildern umsetzt. Dabei verläßt er sich jeweils auf einen räumlichen Einfall: Gabelstapler in „Traumreise“, die Distanz zwischen Fernseher und Tisch in „Abseits“, eine gezackte Balkonbrüstung in „Golan“. Ansonsten setzt Frank auf Matthias Zahlbaum und Maria Brendel. Die beherrschen zwar ihr Handwerk, können aber keine Wunder vollbringen. Denn das theater 89, das Forum für Ostdramatik im Off, vertraut hier blind einem Material, das nur auf seine eigene Historizität verweist. Ein sozusagen archivarischer Akt. Petra Kohse

Diverse Termine bis 17. April, etwa heute und morgen sowie 5./6.3., 20.30 Uhr, theater 89, Torstraße 216, Mitte

Maria Brendel, Matthias Zahlbaum Foto: Thomas Aurin