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Langsam verklingen die Schritte

■ Die Schreibmaschine ersetzt die Reckstange: „Mein blühendes Geheimnis“ von Pedro Almodovar ist nicht mehr so schrill, hat aber immer noch die Frauen im Visier

Als Leo von ihrem Mann endgültig den Laufpaß bekommt, nimmt sie Schlaftabletten. Man sieht einen sehr weißen Arm, der die Tür des blutroten Arzneimittelschränkchens im Badezimmer öffnet. Dann liegt sie auf dem Bett, und es wird dunkel. Das Telefon klingelt, der Anrufbeantworter springt an, und die klagende Stimme ihrer Mutter ist zu hören: „Leo, meine Kleine, bist du nicht da? Ich habe mich mit deiner Schwester gestritten, und jetzt will ich wieder in mein Dorf. Ach Leo, ich hätte dir so gern von meinem Kummer erzählt. Ruf mich an.“ Dann ist die Kamera vor der Tür, an einer Stelle, von der aus man das Bett nicht sieht, nur den Schwall Erbrochenes, den Leo wie eine Springflut ausstößt.

Der spanische Regisseur Pedro Almodovar macht seit Jahren Filme über Frauen. Nicht über junge Mädchen, sondern über Frauen. Frauen, die schön sind, stark und hysterisch und — die eine Menge Sex haben. „Mein blühendes Geheimnis“, befand kürzlich ein Kritiker, sei leider etwas konventionell geraten: Nicht mehr so schrill und überdreht wie die vorherigen Filme Almodovars.

Das ist wahr. In diesem Film wird kein spätes Mädchen von einem Transvestiten auf einer Reckstange gevögelt. Statt dessen geht es um eine fünfzigjährige Liebesromanautorin mit kupferrotem Haar und einer 38er Figur, die sich als Greta Garbo verkleidet, wenn sie trinken geht. Ihre Putzfrau tritt abends als Flamencotänzerin auf und verwandelt sich dabei in eine Medusa, die Schwester hat eine Nase wie Rossy de Palma, und die Mutter trägt eine Sonnenbrille wie Al Capone. Mit einem Wort: Lauter Menschen wie du und ich.

Leo (Marisa Paredes) schreibt kitschige Liebesromane, die außerordentlich populär sind. Das ist ihr so peinlich, daß sie sich ein Pseudonym zugelegt hat: Amanda Gris. Ihr Ehemann Paco arbeitet bei der Nato in Brüssel. Schon nach dem ersten Telefongespräch wissen wir, daß er sie nicht mehr liebt. Und dann ist da noch die Familie: Die Mutter (Chus Lampreave), die bei Leos Schwester Rosa (Rossy de Palma) wohnt und sich nach den Freundinnen in ihrem Dorf zurücksehnt.

Almodovar hat all diese großen Sorgen zusammengeworfen und mit den Zutaten aus Leos Kitschromanen gemischt. „Du altes Filzlausgesicht“, sagt die Mutter, wenn sie sich über Rosa ärgert. Sie hat noch mehr Sorgen: Sie mag nicht aus dem Haus gehen, weil Skinheads sie überfallen könnten, und richtig kacken kann sie auch nicht mehr. In einer großen dramatischen Szene trennt sich Paco von Leo. Sie steht tränenüberströmt an der Treppe, und langsam verklingen die Schritte ihres Geliebten, bis die Tür zufällt.

Dies alles ist so wahr, wie Ingmar Bergmann es nicht genauer erzählen könnte. Aber die Farben sind schöner. Der orange Hut und der pfauenblaue Mantel Leos, wenn sie trinken geht. Das rote Kleid der Haushälterin, wenn sie tanzt. Nur zum Ende hin, wenn der Film endgültig zu einer Szene aus Leos Roman „Reich und berühmt“ wird, wenn Leo ernsthaft sagt: „Ich muß lernen, ohne Paco zu leben. Ohne Paco und ohne den Alkohol“, und wenn sie mit dem dicken Redakteur von El Pais vor dem Kamin sitzt und Rotwein trinkt, dann schämt man sich ein bißchen, daß man vorher so mit ihr gelitten hat. Anja Seeliger

„Mein blühendes Geheimnis“. Buch und Regie: Pedro Almodovar. Kamera: Affonso Beato. Mit: Marisa Paredes, Juan Echanove, Imanol Arias, Rossy de Palma u.a., Spanien/Frankreich 1995, 105 Min.

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