Ballzauberer, Entertainer, Botschafter

Das dritte Dream Team des US-Basketball wird bei den Olympischen Spielen von Atlanta wohl ohne die Comeback-Künstler Magic Johnson und Michael Jordan auskommen müssen  ■ Von Jens Plassmann

Berlin (taz) – Welches Team am 4. August das Basketballfinale von Atlanta gewinnen wird, ist nicht die Frage. Aber welche Spieler die Goldmedaille für die USA in Empfang nehmen dürfen, mit diesem Problem beschäftigt sich seit vielen Wochen eine elfköpfige Auswahlkommission.

Nach dem Comeback von Magic Johnson im Dress der Los Angeles Lakers galt es fast als sicher, daß der ewig lächelnde gute Geist des Dream Team I auch in Atlanta auf Korbjagd gehen würde, und in seinem Gefolge möglicherweise sogar Michael Jordan. Doch Magic verzichtete jetzt „aus familiären Gründen“ scheinbar endgültig, und ohne seinen Kumpel ist wohl auch Jordan nicht allzu erpicht darauf, sein drittes Olympiagold nach 1984 und 1992 zu holen – zumal auch Golfpartner Charles Barkley nicht mit von der Partie ist.

So muß sich die Kommission weiter den Kopf darüber zerbrechen, wer die beiden letzten Plätze im Dream Team III einnehmen darf. Es ist weniger das immense Talentreservoir der NBA, das die Wahl zur Qual werden läßt, als vielmehr der Mangel an Spielerpersönlichkeiten, die das US-Spitzenprodukt Basketball würdig, sprich: weltmarktgerecht, zu vertreten wüßten. Besonders sensibilisiert zeigen sich die Organisatoren nach der enttäuschenden Vorstellung des Dream Team II bei der Weltmeisterschaft 1994 in Toronto. Zwar erfüllte die Mannschaft um eher jüngere NBA-Stars wie Shawn Kemp, Alonzo Mourning, Derrick Coleman, Larry Johnson und Shaquille O'Neal ihr sportliches Pflichtprogramm standesgemäß, gewann die Spiele mit einem durchschnittlichen Vorsprung von 38 Punkten und deklassierte Rußland im Endspiel 137:91, doch das oftmals arrogante Gehabe der Youngster und zahlreiche Pöbeleien auf und neben dem Spielfeld hinterließen nicht nur bei den hilflosen Opponenten einen schlechten Eindruck. Selbst in den USA blieb „das Dream Team aus Leuten mit fragwürdiger Einstellung“ – so Chicago-Bulls-Coach Phil Jackson – eher unpopulär.

Ein derart geschäftsschädigendes Erscheinungsbild gilt es nun auf der einzigartigen Publicitybühne Olympia unbedingt zu vermeiden. In eleganter Souveränität soll für den amerikanischen Exportschlager Basketball geworben werden, ohne die Vertreter der ausländischen Zielgruppen dabei zu desavouieren. Wenn aber die neuen Wilden der NBA außen vor bleiben sollen, was läge da näher, als auf bewährtes Personal zurückzugreifen? Und so zählen zu dem ersten Zehnerkader für Atlanta gleich vier Spieler des Dream- Team-Originals, das in Barcelona 1992 einen weltweiten Basketballboom ausgelöst hatte: David Robinson, Karl Malone, Scottie Pippen und John Stockton. Aus der wesentlich jüngeren WM-Mannschaft von 1994 fanden bislang nur Reggie Miller und Megastar Shaquille O'Neal Berücksichtigung. Vorläufig komplettiert wurde das präsentable Ensemble mit dem rechtzeitig eingebürgerten Meisterspieler Hakeem Olajuwon sowie den handverlesenen Nachwuchsstars Anfernee „Penny“ Hardaway, Grant Hill und Glenn „Big Dog“ Robinson, die für den jugendlichen Schwung sorgen sollen. Als aussichtsreichste Kandidaten für die übrigen Plätze gelten Jason Kidd, Mitch Richmond und Shawn Kemp. Mit dieser Talentmischung aus Sport, Show und diplomatischem Geschick glaubt man die heikle Marketingoperation beruhigt in Angriff nehmen zu können. Die vielbeschäftigten Stars reizt an dem Treffen der Jugend der Welt diesmal auch der minimale Arbeitsaufwand. Da sich das US-Team als Gastgeber und Titelverteidiger nicht durch ein Qualifikationsturnier langweilen muß, genügen den Herrschern unter und über den Ringen ein fünftägiges Trainingslager und fünf Vorbereitungsspiele, um sich auf die werbewirksame Gala vor heimischem Publikum und zu bester Sendezeit einzustimmen.

Viel spricht indes dafür, daß in Altanta zum letztenmal die Werbeformel vom Dream Team strapaziert wird. Zum einen dürften künftige Ligahelden wenig Lust verspüren, den hoffnungslosen Kampf gegen die verklärten Erinnerungen an die Glanztaten ihrer Vorgänger anzutreten. Zum anderen könnte Sydney – vorausgesetzt, die NBA bleibt mit ihrem globalen Vermarktungskonzept auf Erfolgskurs – für die Superstars der Superliga und für deren Werbepartner im Jahre 2000 bereits nicht mehr die Reisestrapazen wert sein.

Daraus ergibt sich ein kleines Dilemma. Denn eine Rückkehr zum Einsatz von Collegespielern oder zweitklassigen Profis in der Nationalauswahl kommt für das Mutterland des Basketball mittlerweile auch nicht mehr in Frage. Dafür haben die missionierten Regionen der Welt zu sehr aufgeholt. Schließlich hat Basketball sogar in unseren Breiten den Sprung vom Hallensport für angehende Akademiker zum Straßensport für alle Sneakers-Träger geschafft. Und diesen Erfolg wiederum ermöglichten in erster Linie seine spektakulären Botschafter – und die unermüdliche engagierte Sportartikelindustrie, versteht sich.