Das Portrait
: Ausgezeichnet

■ Irmela Schramm

Irmela Schramm bekommt heute das „Band für Mut und Verständigung“ verliehen Foto: privat

„Ich habe schon so oft Sachbeschädigung betrieben, ich bin stolz darauf.“ Die blauen Augen leuchten, wenn die 50jährige Irmela Schramm von ihren „Sachbeschädigungen“ erzählt. Die Berlinerin zerstört Aufforderungen zum Zerstören: Schmierereien, rechtsradikale Sprüche und Zeichen. Wenn sie sie sieht, an Wänden oder Hauseingängen, wird das kleine Acetonfläschchen mit dem Aufkleber „Farbe bekennen“ gezückt. Oder sie kratzt Aufkleber von Litfaßsäulen. Wenn es gar nicht anders geht, greift sie zur Farbe. Hauptsache, danach ist nichts mehr zu sehen.

Die gelernte Hauswirtschafterin und Heilpädagogin wurde in Suttgart geboren. Seit 1969 lebt sie mit ihrem Mann, einem Ghanaer, in Berlin und arbeitet an einer Schule für geistig behinderte Kinder.

Vor zehn Jahren begann, was Irmela Schramm ihre „politische Arbeit“ nennt. Ein kleiner Rudolf-Heß- Aufkleber machte ihr ihre eigene Untätigkeit bewußt. „Erst war eine Barriere da, aber ich dachte mir, wenn du den Aufkleber jetzt nicht wegmachst, ärgerst du dich ewig weiter.“ Danach konnte sie nicht mehr damit aufhören. Ihr Hobby betrieb sie mit System: Sie archivierte und fotografierte sämtliche Schmierereien, bevor sie sie entfernte. Aus einer Auswahl ihrer 2.360 Fotos entstand die Ausstellung „Haß vernichtet“, die ab heute im brandenburgischen Landtag in Potsdam zu sehen ist. Gleichzeitig soll ihr das „Band für Mut und Verständigung“ verliehen werden.

Schon oft wurde Irmela Schramm angepöbelt und bedroht. „Wenn mir was passiert, dann hoffe ich, daß es mindestens zehn andere Leute gibt, die meine Arbeit weitermachen“, sagt sie. Es mach ihr Angst, daß „Menschen zu solchen Sachen fähig sind“.

Die Wut und der Haß sind für sie einerseits der Motor nicht aufzugeben, weiterzumachen. Aber genau darin liegt auch eine Gefahr: „Ich muß aufpassen, daß der ganze Haß nicht zu Selbsthaß wird.“

Irmela Schramm will keine „Putzfrau der Nation“ sein. Ein Potsdamer Bahnhofsvorsteher drückte ihr einmal Eimer und Putzlappen mit der Aufforderung in die Hand, sie könne ja gleich alles saubermachen.

SympathisantInnen hat Irmela Schramm viele, und die kann sie auch gebrauchen. Die Arbeit scheint oft endlos. Aber da blitzen die blauen Augen auf: „Ich stehe den Schmierern in nichts nach.“ Silke Stuck