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Lichter des Nordens

■ „Nord Interior“: Die Kunst einfacher Produktgestaltung

Einfach die Zelte abbrechen, die Stühle und Tische zusammenklappen, alles rasch im Kleinwagen verstaut und ab die Post: Diese Vorstellung von Mobilität hat die Gestalter seit Beginn der Moderne bewegt. Passend zum Zeitalter der Angestelltenkultur galt es, auch den Haushalt mobil zu machen. Nicht ohne kritische Begleitung: Als „Nomadenhütten“ wurden die Stelzenhäuser von Le Corbusier aus den 20er Jahren kritisiert, leichte, schlichte und elegante Konstruktionen, deren Clou die schmalen (Eisenbahn-)Flure und Schiebetüren waren – der Bewohner sollte sich stets wie auf Reisen fühlen.

Ein Gefühl, das wieder Konjunktur hat. Im Zeitalter der Mobiltelefone machen die Gestalter dem heimischen Mobiliar Beine. Bücherregale, Schränke, Hocker, Tische: alles in wenigen Minuten zerlegbar für den nächsten Umzug. Was sich junge Designer aus Norddeutschland dazu ausgedacht haben, zeigt die Leistungsschau „Nord Interior“, die in Zusammenarbeit mit dem De-sign Zentrum derzeit im Bremer Landesmuseum gezeigt wird.

Aus Pappe ist schon die Ausstellungsarchitektur, die den Besucher empfängt. Damit hat die Berliner Gruppe „Gewerk“ den Ton gut getroffen. Schlicht, effektiv und klar sind die Formulierungen der meisten Schaustücke. Mobilität ist dabei nur ein Kriterium neben ökologischen und wirtschaftlichen Fragen: Muß ein CD-Ständer zimmerfüllend sein? Kann man den Hocker schnell in seine Bestandteile zerlegen? Und sind diese wiederum, nach Ableben des Hockers, recyclingfähig?

Antworten darauf haben nicht allzu viele Designer gefunden – ganze 17 Produktlinien erfüllten die Kriterien der „Nord Interior“-Jury. Darunter aber genial einfache Lösungen. Wie der Hocker „ad hoc“ von Sabine Bischof. Zwei Holzscheiben, über Kreuz gesteckt, als stabiler Fuß, ein runder Deckel drauf als Sitzfläche – fertig. Gern auch als Beistelltisch zu benutzen. Das ist simpel, aber nicht bloß billig: Mit ihrer stilsicheren Mischung aus hellem Holz und wenigen bunten Elementen setzt sich Bischof deutlich vom Baumarkt-Look vieler trostloser Öko-Produkte ab.

Und ebenso von den Grellheiten, die derzeit als Avantgarde des „internationalen Designs“ im Überseemuseum gefeiert werden. Während dort Design als Kultobjekt präsentiert wird, begibt sich die „Nord Interior“ in die Niederungen des Low-Level-Designs: Den CD-Ständer „CD-Rip“ von Wolfgang Rebentisch, ein verschwindend schmales Stück Plastik, würde anderswo gar nicht als „Design“ durchgehen. Hier aber lobt die Jury zu Recht: „vielseitig einsetzbar“, „markt- und seriengeeignet“. Thomas Wolff

Bis 31.3., Eröffnung heute um 18.30 Uhr im Landesmuseum

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