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■ Archiv der Experimente: der Filmavantgardist und Techno-Pionier Len Lye im Arsenal

Eines waren die zwanziger und dreißiger Jahre sicherlich: eine Ära, in der künstlerische Avantgarde und technisch-industrieller Pioniergeist nah beieinander lagen. Wie folgerichtig also, daß die ersten Animationsfilme des Kinetik-Künstlers und Filmemachers Len Lye (1901-1980) im Auftrag des britischen „General Post Office“ (GPO) entstanden.

In „North or Northwest“ (1935) geht es zwar vordergründig um ein Liebespaar, das mit der korrekten Postzustellung hadert, die Umsetzung dieser Auftragsarbeit dagegen ist alles andere als konventionell. Während eine kunstseidene Schöne in Nahaufnahme Zeile um Zeile an ihren brillantine-gekämmten Liebhaber schreibt, ist die Schrift gleichzeitig ihrem Gesicht unterlegt. Briefe regnen surreal vom Himmel, altmodische Mail-Boxen rotieren durchs Bild. Dazwischen laufen in bester Agit-Prop-Manier Slogans wie „post early“ oder „frankier richtig“ durchs Bild und lösen die Chronologie des Kurzfilms in collagierte Schnipsel auf.

Lye, der als Twen auf Samoa lebte, später gemeinsam mit Eisenstein Filmworkshops bei Hans Richter belegte, ließ sich schließlich in London nieder, wo er Mitglied der „Seven and Five Society“ wurde. Vom Kunstkritiker Roger Fry für seinen Debütfilm „Tusalava“, der westliche und künstlerische Motive der „Aboriginal Art“ Amoas verbindet, gelobt, gehören die meisten seiner zahlreichen Kurzfilme in die Tradition der „direct-film- Technik“. Dabei werden die Einzelbilder in aufwendiger Detailarbeit direkt auf das Zelluloid aufgetragen oder eingeritzt.

Das Ergebnis sind „abstrakte“ Kurzfilme, mit teils wie vom Elektronen-Mikroskop gefilmten organischen Abläufen, teils rhythmus-synchronen Farbopern in Wasserfarben und Kartoffeldruck zu Jazz und karibischen Klängen.

Gut ein Dutzend dieser Filme, legitime Vorläufer des Techno- Musikclips, zeigt das Arsenal in seiner Reihe „Archiv der Experimente“ als nostalgischen Rückblick, als das Motto „ab geht die Post“ nicht nur als kinetisch-kinematographisch zu nehmen war, sondern wörtlich. Gudrun Holz

„Aus dem Archiv der Experimente: Filme von Len Lye, 14.3., 21 Uhr, Arsenal, Welserstraße 25, Schöneberg.

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