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Umweltdebatten unter gnadenlosem Neonlicht

■ Utech 96: Ein Marathon mit über 50 Veranstaltungen. Das Ambiente im Raumschiff ICC ließ von Umwelt nichts spüren, aber dafür um so mehr von Technik

Nur ein paar zerschmetterte Bretter zeugen noch von den abendlichen lärmenden Aktionen: Frühmorgens ist es totenstill in der Unterführung, die zum gigantischen Umweltfachkongreß Utech 96 im ICC führt. Erst spätabends dürfen sie dann wieder rein – die tagsüber ausgesperrten Skater. Ohrenbetäubend ist der Lärm, den sie bei ihren Kunststücken verursachen. Vor allem dann, wenn einem abends ohnehin der Kopf heftig dröhnt vom Utech-Rummel.

Utech 96: Dazu versammelten sich von 26. Februar bis 1. März Fachleute aus allen umweltrelevanten Bereichen im Raumschiff ICC, um etwa der spannenden Frage nachzugehen, wie Risiken für Investoren bei Entwicklungsprojekten auf Altlasten abgebaut werden können oder wie die Zertifizierung von Entsorgungsbetrieben ausgestaltet sein muß.

Bereits am Montag mittag, beim zweitägigen Seminar zum Thema „Kreislaufwirtschaft in Action“, macht mein Kreislauf schlapp. Der fade und lieblos bereitete Salat am ICC-Buffet bringt allerdings wegen des völlig überdrehten Preises mein Blut rasch wieder in Wallung. Auf zum zweiten Anlauf in die Kreislaufwirtschaft. Doch vorher noch Presserummel: Staatssekretär Ulrich Klinkert aus dem Bonner Bundesumweltministerium verbreitet zur Eröffnung der Utech Aufbruchstimmung im Umweltschutzmarkt, auch wenn Deutschland den Spitzenplatz im Welthandel an die USA abtreten mußte. Der wirtschaftlichen Talfahrt zum Trotz sollen die Aussichten der deutschen Industrie auf dem Umwelttechnikmarkt überdurchschnittlich gut sein.

Bei mir kommt trotz Klinkerts Optimismus langsam Katerstimmung auf – gnadenloses Neonlicht, flackerndes, augenschmerzendes Übel: draußen heller wonniger Sonnenschein, drinnen düstere Kunstlichtwelt. Arme MesseausstellerInnen – eine ganze Woche die schrillenden Handys und Lautsprecherattacken ertragen zu müssen ist kein guter Job.

Doch es gibt auch eine Oase: Eine schnöde Altlastensanierungsfirma bietet kostenlos köstliche frische Cocktails in schillerndem Rot, Blau, Grün und Gelb an. Schnell ist mir klar: Hier ist meine tägliche Tankstelle, um dieses kopflastige Ingenieurs-Marathon durchzustehen. Danke der unbekannten Firma, dem kleinen Lichtblick in dieser ingenieursverwichtigten Fachwelt, für diesen Akt der Menschlichkeit.

Nach tiefgehenden Einblicken in Kreislaufwirtschaft, europäische Abfallpolitik, osteuropäische Umweltprobleme, Altlastensanierung, Grundwasserschutz, Bundesimmissionsschutzgesetz, Bodenschutz, Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und TA Siedlungsabfall habe ich bei den insgesamt mehr als 50 Kongressen, Seminaren und Workshops eigentlich nur ein Thema ernsthaft vermißt: Wie baut man Klimaanlagen in Kongreßzentren, bei deren Betrieb man nicht spätestens am dritten Marathon-Tag Schnupfen bekommt? Detlef Stoller

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