: Rittershausens Seemannsgarn
■ Elbvertiefung: Hamburger Wirtschaftsbehörde bestätigt unseriöse Zahlenspielereien ihres Senators Von Marco Carini
Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus schießt gern mal aus der Hüfte. Schockierende Zahlenspiele, weit jenseits des kleinen Einmaleins, sollen belegen, daß der Verzicht auf Rittershausens Lieblingsprojekte – Hafenerweiterung und Elbvertiefung – verheerende Folgen für die Hansestadt hätte: Tausende Arbeitsplätze, die ohne Hafenerweiterung verloren gingen, hunderte Containerschiffe, die jährlich den Hafen nicht anlaufen könnten, weil die Elbe zu flach sei. Dabei scheut der parteilose Ex-Manager nicht davor zurück, auch mal „Seemansgarn zu spinnen“, wie GAL-Wirtschaftsreferent Detlev Grube eine Antwort des Senats auf eine Anfrage des GAL-Hafenexperten Alexander Porschke interpretiert.
Gleich zweimal, im Dezember des vergangenen und im Februar dieses Jahres, hatte der Wirtschaftssenator die Presse zusammengetrommelt, um wehzuklagen: 700 Container-Riesen könnten Hamburg jedes Jahr wegen zu großen Tiefgangs entweder gar nicht oder nur verspätet anlaufen. Nur leider hatte eine von seiner eigenen Behörde verfaßte Antwort auf eine GAL-Anfrage den Chef längst korrigiert.
Kein einziger Fall sei ihr bekannt, so mußte die Behörde zugeben, bei dem ein Containerschiff aufgrund seines Tiefganges den Hafen nicht anlaufen konnte. „Allerdings“, so versuchte die Behörde ihre Elbvertiefungsbegründung zu retten, „können etwa 120 Containerschiffe, die durchschnittlich fünfmal im Jahr den Hafen anlaufen, ihren jeweils maximal erreichbaren Tiefgang wegen der derzeit noch bestehenden Fahrwassertiefen nicht ausnutzen“.
Doch auch diese Zahl, so räumt jetzt eine neue Senatsantwort auf eine weitere Porschke-Anfrage ein, ist nur geschossen: Die Wirtschaftsbehörde verglich einfach die sogenannten „Schiffsstammdaten“ mit den zulässigen Tiefgängen und ermittelte so die Anzahl der Container-Frachter, die theoretisch Probleme mit der Elbfahrrinne haben könnten. Auf die Frage, ob nachzuweisen sei, daß die tiefliegenden 120 Schiffsriesen ihren Maximal-Tiefgang ausgenutzt hätten, wenn die Elbrinne ausgebaggert wäre, heißt die Antwort schlicht „nein“.
Von 700 so auf Null gebracht, bemüht die Senatsantwort nun eine neue Ausbaggerungs-Rechtfertigung: „Tiefgangsrestriktionen“ würden von Reedern damit beantwortet, daß sie ihre Ladungen an dem entsprechenden Hafen vorbeilenkten. Daß dies bislang in Hamburg auch nur in einem einzigen Fall geschehen ist, vermag die Wirtschaftsbehörde allerdings nicht zu belegen. Es handele sich lediglich um eine theoretische „Gefährdung“, die es durch die 200 Millionen-Mark teure Fahrrinnen-Vertiefung „abzuwenden“ gelte.
Dem GALier Detlev Grube aber sind solche „Planspiele“ nicht Grund genug für die ökologisch umstrittene Baggerei: „Rittershausens Horror-Berechnungen sind wie ein Kartenhaus zusammengekracht“.
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