: Mit dem trotzigen Optimismus eines Alt-68ers
■ Der Präsident der Ossietzky Universität in Oldenburg, Michael Daxner, entwirft sympathische Hochschul-Visionen. Aber er weiß, daß sie nicht zu realisieren sind
Wenn heute die Universitäten in die öffentliche Diskussion kommen, dann fast ausschließlich als Kostenfaktoren, und für die Politiker fast jeder Couleur haben die Hochschulen nur eine hervorstechende Eigenschaft: Sie sind zu teuer. Das bildungspolitische Denken ist dem Sadomasochismus verfallen und dreht sich lustvoll nur noch ums Einsparen, Entrümpeln, Verkürzen, Streichen, Schließen.
Michael Daxner, seit 1986 Präsident der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, hat gegen die ermüdenden Horrorszenarien ein Buch geschrieben und versucht, die Debatte auf andere Felder auszudehnen. Die steuerzahlende Öffentlichkeit soll nicht nur auf den Geldbeutel starren, sondern Aufklärung darüber fordern und haben dürfen, was Wissenschaft, was Lehre, was Forschung eigentlich ist und tut und wie sie wirkt. Daxners Versuch ist ehrenhaft und dringend nötig. Geglückt ist er nicht.
Daxner hat sich etwas von dem trotzigen Optimismus der Alt-68er bewahrt, deren Visionen ihre Kraft aus der Gewißheit hatten, nicht realisierbar zu sein. Mit einer „Vision“ schließt denn auch sein Buch, mit der Vision einer „den ökologischen und republikanischen Imperativen“ verpflichteten Hochschule, der es gelingt, „ihre Angehörigen und darüber hinaus die Öffentlichkeit gescheit“ zu machen. (Seite 270 f.)
Wissenschaft für alle und von allen getragen, eine wissenschaftlich angehauchte, also kritisch und vernünftig reflektierte Lebensgestaltung jedes Individuums wie der ganzen Gesellschaft – es ist letztlich ein lupenrein aufklärerischer Impetus, der den Autor zum Weiterschreiben getrieben hat, und wo er durchschlägt, erhält das Buch einen gewissen Schwung. Am stärksten in den Passagen, die über das „Studium“ handeln. Es ist wohltuend, daß das Wort „Studienzeit“ hier einmal ohne seinen Schlagschatten der „Verkürzung“ daherkommt. Daß sich im Studium die Einheit von Forschung und Lehre recht eigentlich zu konstituieren und zu beweisen hat, daß das Studium Persönlickeit bilden und urteilsfähig machen, daß es ein prägender Lebensabschnitt sein soll (Seite 40–44 und öfter), solche altväterlich wirkende Weisheit gewinnt gegenüber dem heute allgegenwärtigen Kosten-Nutzen-Denken eine neue Sympathie und Legitimation.
Leider nur klingen die großen Wahrheiten, mit sich allein gelassen, oft so verzweifelt banal. Daxner hat nicht den epischen Atem, den seine Vision und seine Mission brauchten, um bei der Öffentlichkeit – gar noch einer nichtuniversitären Öffentlichkeit – anzukommen.
Eher kurzatmig hetzt er in seinen zehn Kapiteln von Thema zu Thema, im Zeittakt des vielbeschäftigten Universitätspräsidenten, der alle halbe Stunde einen anderen Termin hat und imstande sein muß, in einer Woche zu 20 verschiedenen Hochschulproblemen Stellung zu nehmen: Evaluation, Personalstruktur, Habilitation, Frauenförderung, Drittmittelforschung, Studiengebühren, Europa und Region und vieles andere mehr – zu allem weiß sich der Autor sachkundig und differenziert zu äußern. Doch kommt er über die Vorüberlegungen selten hinaus. Kaum hat er etwas „angerissen“, (s. Seite 267), beginnt schon das nächste Thema. Der Leser lernt dabei, wie man heiße Eisen anpacken kann, ohne sich die Finger zu verbrennen: Es kommt darauf an, schnell genug wieder loszulassen.
Das ist nicht durchgängig der Fall. Daxner ist ein erfahrener und wirkungsvoller Hochschulpolitiker. Sein Oldenburger „Globalhaushalt“ ist ein zukunftsträchtiges Verfahren. Mit dem „Daxner-Modell“ hat er in die Diskussionen um die Studienfinanzierung den vielberedeten Gedanken einer Akademikersteuer eingebracht. Die entsprechenden Abschnitte im neunten Kapitel des Buches sind gut durchdacht und durchformuliert.
Doch in vielen anderen Passagen regiert die staubige Sprachnot der unter Zeit- und Kompromißdruck entstandenen Referentenentwürfe und Gremienbeschlüsse. Nur zwei Beispiele:
Über Leistung und Wirtschaftlichkeit des Hochschulpersonals: „Hier empfiehlt es sich zunächst, den Verbleibekorridor auszuweiten und die dort versammelten Kompetenzen flexibel zu nutzen.“ (Seite 103) Über Forschungslobbies: „Insgesamt spielt die ,Forschungsmacht Deutschland‘ innerhalb der Europäischen Union symbolisch und real eine bedeutende Rolle. In einigen Bereichen gibt es unzweifelhaft Monopole, und dazu gehört die Breitenförderung der Grundlagenforschung an den Hochschulen. Deshalb muß dieser Bereich besonderes Augenmerk bei den Reformen finden.“ (Seite 162)
Für wen sind solche Aussagen gemacht? Die Insider wissen's genauer. Die Außenstehenden bleiben achselzuckend außen vor. Denen wird die Frage, ob die Uni noch zu retten sei, schon nach 40 Seiten Geholper über die Textbausteine ziemlich egal sein. Hartmut Kugler
Michael Daxner: „Ist die Uni noch zu retten? Zehn Vorschläge und eine Vision“. Rowohlt-Taschenbuch 13763, März 1996, 288 S., 14,90 DM
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