■ Querspalte: Aus der Tiefe des Raumes
Die Politik hält sich gern im politischen Raum auf. Weil der jedoch kleiner und kleiner wird, zieht sie sich immer häufiger ins Vorpolitische zurück. In letzter Zeit tummelt sie sich verdächtig oft auch im Hyperpolitischen. (Politologen, Soziologen, Astrologen, bitte weiterlesen, ist was für euch.) In die lichte Zukunft führen diese Aufenthaltsorte aber alle nicht. Politik wird erst wieder ernst genommen, wenn sie auch dorthin geht, wo's weh tut: ins Apolitische.
Diesen Weg unter die Einprozenthürde aufzuzeigen blieb, wie so oft in den letzten Monaten, dem kreativsten Bonner Kopf vorbehalten: Guido Westerwelle. Das ist der, der gewissermaßen aus der Tiefe des politischen Raumes kommt und der FDP so weit voraus ist, daß er noch Plakate klebt, wenn es diese Partei schon gar nicht mehr gibt.
Dieser Guido Westerwelle also hat den Grünen vorgeworfen, mit ihrer Entscheidung zur Fortsetzung der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen „eingeknickt“ zu sein. „Die Grünen haben am Ende doch dem eigenen Machterhalt den Vorzug vor den eigenen Grundsätzen gegeben.“ Selten so gelacht, was? Aber mal ehrlich: Dieses Lachen ist doch so billig zu haben.
Wer sich ab und zu im politischen Raum aufhält, der wird wissen, was ich meine, der wird sich ganz ruhig zurücklehnen und wissend nicken: Ja klar, der Westerwelle, der schlaue Fuchs, der will uns was ganz anderes damit sagen. Er will sagen, daß man nur das sagen soll, was man sagen kann. Und sagen kann man nur, was man weiß. Und man weiß nur das, was man selbst erlebt hat. Und da gibt's in der Politik nicht mehr allzuviel. Gut, FDP und einknicken, das schon noch. Aber sonst?
Auf diesem Wege überwindet die Politik sich selbst, das Vorpolitische und das Hyperpolitische. Sie gelangt an ihr Ende. Ganz Bonn wird ein einziger apolitischer Raum. Der alte Traum kann Wirklichkeit werden. Wer am meisten weiß und erlebt, sitzt am Ruder. Die Köchin führt die Staatsgeschäfte. Und Westerwelle darf alles umrühren. Jens König
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