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Nutzloser Bosnien-Gipfel in Genf

■ Clinton verlegt den Wahlkampf in die Schweiz. Christopher schweigt zu den Vorfällen im „multikulturellen“ Sarajevo

Genf (taz) – Vier Wochen nach dem „Mini-Dayton“-Gipfel von Rom hat ein gestern ebenfalls von den USA kurzfristig einberufenes Balkan-Treffen in Genf erneut keine Ergebnisse gebracht, die auf konkrete Verbesserungen der Situation in Bosnien-Herzegowina hoffen lassen. Bei Treffen mit den Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman, sowie dem bosnischen Vizepräsidenten Ejub Ganić wollte sich US-Außenminister Warren Christopher nach Angaben seines Sprechers Burns am Abend um Zusagen für die Umsetzung der zivilen Teile des Dayton- Abkommens bemühen.

Auf der Tagesordnung standen die Rückkehr der Flüchtlinge und die Wahlen. Ferner ging es um die „Stärkung“ der muslimisch-kroatischen Föderation und „das multiethnische Zusammenleben“ in der Region Sarajevo. Daß dieses Zusammenleben in den letzten Wochen seit dem Rom-Gipfel entgegen dort gemachter Zusagen von Milošević durch den Exodus Zehntausender Serben weitgehend beendet wurde, wollte Christopher zunächst nicht öffentlich kommentieren.

Nächster Gipfel am Samstag in Moskau

Die von der US-Administration ebenfalls nach Genf eingeladenen Vertreter der anderen vier Garantiemächte des Dayton-Abkommens, mit denen sich Christopher am Morgen zum Frühstück getroffen hatte, machten wenig Hehl aus ihrer Einschätzung, daß diese Veranstaltung vor allem den Wahlkampfinteressen der Clinton-Administration diente und ansonsten überflüssig gewesen war.

Die russische Regierung schickte lediglich einen rangniedrigen Bediensteten ihrer Genfer Botschaft als Beobachter, der sich an den Diskussionen mit Christopher aber nicht beteiligte. Er habe bisher „nichts gehört, was die Durchführung dieser Veranstaltung rechtfertigte“, erklärte er in einer Sitzungspause gegenüber Journalisten.

Am Wochenende hatte Moskau die Teilnahme mit der Begründung abgesagt, schließlich sei bereits am Samstag ein weiterer Gipfel in der russischen Hauptstadt geplant. Auch aus Bonn kam nur ein Vertreter für den eingeladenen politischen Direktor im Auswärtigen Amt, Ischinger.

„Ich weiß gar nicht, was ich hier soll“, äußerte ein hoher Beamter, der von der US-Regierung aus Sarajevo nach Genf zitiert wurde und der dort mit der Umsetzung des Dayton-Abkommens betraut ist. Die Amerikaner hätten für die Genfer Veranstaltung „ein Papier vorgelegt, das zu 50 Prozent falsch und zu 50 Prozent unbrauchbar ist“. Andreas Zumach

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