: Wahnsinn aus der Pfanne
Untersuchungsausschuß in Großbritannien, nachdem Zusammenhang von Rinderwahn und CJS-Krankheit nachgewiesen wurde ■ Von Ralf Sotscheck
Das war zu erwarten: Kaum hat die britische Regierung eingestanden, daß ein Zusammenhang zwischen Rinderwahnsinn und dem beim Menschen auftretenden Creutzfeldt-Jakob-Syndrom (CJS) besteht, da gibt es schon einen Untersuchungsausschuß. 4,5 Millionen Pfund stehen ihm zur Verfügung.
Ursache für den Meinungsumschwung der Regierung ist ein Bericht des 1990 eingerichteten staatlichen Creutzfeldt-Jakob-Forschungszentrums in Edinburgh. Das Zentrum legte am Mittwoch einen Bericht vor, aus dem hervorgeht, daß CJS ein bisher unbekanntes Krankheitsmuster entwickelt hat. Daran sind in den vergangenen drei Jahren zehn Menschen gestorben, die jünger als 42 waren. Bisher lag das Durchschnittsalter von CJS-Opfern bei 63 Jahren. Bei der neuen CJS-Art beträgt es hingegen nur 27 Jahre.
Der britische Gesundheitsminister Stephen Dorrell räumte vorgestern vor dem Unterhaus ein, daß „die wahrscheinlichste Erklärung darin liegt, daß es in diesen Fällen zu einem Kontakt mit an BSE erkrankten Tieren gekommen“ sei. Dieser Kontakt, so fügte Dorrell hinzu, habe jedoch vor 1989 stattgefunden: Damals hat man Rinderhirne und bestimmte Innereien aus der menschlichen Nahrungskette verbannt. Deshalb, so Dorrell, dürfte „das mit dem Rindfleischverzehr verbundene Risiko nunmehr außerordentlich gering sein“.
Landwirtschaftsminister Douglas Hogg hat am Mittwoch abend dennoch mehrere „vertrauensbildende Maßnahmen“ angekündigt: Künftig müssen Rinder, die älter als 30 Monate sind, unter staatlicher Aufsicht entbeint werden. Die Verfütterung von Säugetierfleisch und Knochenmehl an landwirtschaftliche Nutztiere ist verboten. Darüber hinaus sollen die Kontrollen in Schlachthäusern und fleischverarbeitenden Betrieben verschärft werden.
Fleisch kranker Tiere ist nicht zu identifizieren
Stephen Dealler, ein Mikrobiologe am Burnley-Krankenhaus, hält das für unzureichend. Er geht davon aus, daß für jede Kuh, die an BSE erkrankt ist und getötet wird, hunderte infizierter Tiere auf dem Mittagstisch landen. Bis zur Jahrtausenwende, so glaubt Dealler, werden die BritInnen 1,8 Millionen infizierter Rinder verspeist haben. Denn aufgrund der langen Inkubationszeit läßt sich die Krankheit nicht durch bloßen Augenschein im Schlachthaus erkennen.
Die „bovine spongiforme Enzephalopathie“ (BSE), wie der Rinderwahn offiziell heißt, befällt das Gehirn der infizierten Tiere und verwandelt es in eine „schwammförmige Masse“. Klinische Symptome – Stolpern, Gleichgewichtsstörungen, unberechenbares Verhalten – treten erst zwei bis sieben Jahre nach der Ansteckung auf. Danach dauert es nur wenige Wochen, bis das Tier stirbt.
Die ersten Fälle von BSE traten 1986 auf. Die Krankheit wurde durch die Fütterung von Schafinnereien auf die Rinder übertragen. Bei Schafen tritt bereits seit 200 Jahren die BSE-verwandte Traberkrankheit oder Scrapie auf. Das Geschäft mit Futtermitteln, denen tierische Proteine beigemischt werden, ist äußerst lukrativ. Um ihre Profite noch zu erhöhen, stellten britische Futtermittelfabrikanten Anfang der achtziger Jahre die Herstellungsmethode um: Sie senkten die Verarbeitungstemperaturen bei den Schafabfällen und stellten die chemische Behandlung ein. Dadurch überlebte der Scrapie-Erreger. Bisher sind knapp 160.000 Rinder an der Krankheit eingegangen, noch immer sterben jede Woche rund 300 Tiere. Seit drei Jahren sinkt die Zahl jedoch stetig, was wohl damit zusammenhängt, daß seit Juli 1988 kein Tiermehl mehr an Rinder verfüttert werden darf.
Der englische Wissenschaftler Dr. Harash Narang hat nachgewiesen, daß die Erreger für Scrapie, BSE und CJS identisch sind. Fest steht, daß der Erreger mühelos auf die meisten Säugetierarten übertragen werden kann.
Douglas Hogg sieht jedoch trotz der neuen Erkenntnisse des CJS- Zentrums keinen Grund zur Besorgnis. „Der oberste Amtsarzt der Regierung versichert uns, daß keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür vorliegen, daß BSE durch den Verzehr von Rindfleisch auf den Menschen übertragen werden kann“, sagte Hogg. „Er hat sogar erklärt, daß er im Rahmen einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Diät auch weiterhin Rindfleisch essen wird, und ich werde seinem Beispiel folgen.“
Der öffentliche Verzehr von britischem Rindfleisch ist bei den Politikern sehr beliebt: Ende der achtziger Jahre schob der damalige Landwirtschaftsminister John Gummer seiner dreijährigen Tochter vor surrender Kamera einen Hamburger in den Rachen. Kurz darauf ließ sich eine Gruppe Tory- Abgeordneter beim Verzehr eines Berges Tartar filmen. Genützt hat es nichts: Der Verbrauch von Rindfleisch ist in den vergangenen zehn Jahren um 15 Prozent gesunken, 10.000 Schulen haben Beef vom Speiseplan gestrichen.
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