: Geheimakte Europäische Union
■ WWF verklagt EU-Kommission, weil sie ihre Richtlinien über ökologisch heikle Projekte nicht veröffentlicht
Brüssel (taz) – Der World Wide Fund for Nature (WWF) kümmert sich nicht nur um die Natur, sondern auch um die Demokratie in Europa. In einer Klage beim Europäischen Gerichtshof fordert er eine Verurteilung der EU-Kommission, weil diese sich weigere, bestimmte interne Förderrichtlinen auszuhändigen. Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil damit erstmals geprüft wird, ob die Kommission ihre selbstgesetzten Transparenzverpflichtungen erfüllt.
Angefangen hatte alles mit einem Konflikt um den Nationalpark von Mullaghmore, einer reizvollen Kieslandschaft an der Westküste Irlands. Ausgerechnet an einer besonders sensiblen Stelle wollte die irische Regierung ein Besucherzentrum bauen, was jedoch den Widerstand von An Taise, der größten irischen Naturschutzorganisation, provozierte. Und weil das Besucherzentrum mit Geldern aus dem EU-Strukturfonds gebaut werden sollte, begann sich auch der WWF für das Projekt zu interessieren.
Um eine Klage gegen die EU vorzubereiten, bat der WWF die Kommission um ihre „Richtlinien zur Vergabe von Strukturfondsmitteln an ökologisch sensible Projekte“. Der Generalsekretär der Kommission, David Williamson, erklärte die Dokumente jedoch für geheim – nicht ohne zu versichern, daß die Kommission im allgemeinen eine Politik des „größtmöglichen Zugangs zu ihren Dokumenten“ verfolge.
Einblick in die „interne Willensbildung“ verboten
Williamson beruft sich bei seiner Entscheidung auf einen Verhaltenskodex, den Ministerrat und Kommission Ende 1993 vereinbart haben. Ziel dieses Regelwerks ist es eigentlich, durch eine Politik der Offenheit das Vertrauen in die EU-Administration zu fördern. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahmen. So läßt der Kodex zu, daß die Kommission jedes Dokument zurückhalten kann, das Aufschluß über ihre interne Willensbildung geben könnte.
Die Kommission versucht, mit einer Statistik zu belegen, daß sie in der Regel durchaus Zugang zu ihren Dokumenten gewähre. Danach sei in 54 Prozent der Anträge für Offenlegung entschieden worden und nur in 17 Prozent der Fälle für Geheimhaltung. Fast ein Drittel der Anfragen wurde als unzulässig eingestuft, weil das Dokument schon veröffentlicht war oder gar nicht existierte.
Der Europäische Gerichtshof mußte sich schon mehrfach mit Klagen gegen die mangelnde Transparenz der EU-Organe befassen. Bisher war immer der Ministerrat der Klagegegner. Im letzten November erstritt sich der Guardian Einblick in Ratsprotokolle zum Thema Kinderarbeit. Christian Rath
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