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Die Rinder sollen nicht von der Insel

■ Bonner Regierung will ein EU-weites Importverbot für Rindfleisch aus Großbritannien durchsetzen. Frankreich und Belgien haben die Einfuhr bereits gestoppt. Die Briten wollen möglicherweise alle elf Millionen Rinder töten

London (taz) – Jetzt reagiert auch Bonn: Ein Exportverbot für britisches Rindfleisch in die Länder der Europäischen Union müsse her, forderten gestern Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) und Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU). „Aufgrund der neuen Informationen muß das Ziel sein, ein generelles Verbringungsverbot aus Großbritannien für Rindfleisch, Rindfleischerzeugnisse, Innereien, Tiermehl sowie entsprechende Rohstoffe für Arzneimittel und Kosmetika in die Europäische Union zu erreichen“, erklärten die Ministerien.

Außerdem müsse man sicherstellen, daß die Maßnahmen nicht durch die Einfuhr über Drittländer unterlaufen werden können. Dazu wollen die Minister einen umfassenden Maßnahmenkatalog erarbeiten, der heute vorgestellt werden soll. Frankreich und Belgien stoppten gestern sofort die Einfuhr von lebenden Rindern und Rindfleisch aus Großbritannien.

Bis vorgestern hatte die britische Regierung über zehn Jahre konsequent bestritten, daß der Rinderwahnsinn (BSE) auch auf den Menschen übertragen werden könne. Dann sagte Gesundheitsminister Stephen Dorrell im Unterhaus, daß das beim Menschen auftretende Creutzfeldt- Jakob-Syndrom (CJS) ein neues Krankheitsmuster angenommen habe, an dem bisher zehn Menschen gestorben seien. Die „wahrscheinlichste Erklärung“: der Verzehr von BSE-infizierten Rindfleischprodukten. Wenn nötig, werde man alle elf Millionen Rinder in Großbritannien töten lassen, sagte Dorrell: „Es ist eine der Optionen, die uns offensteht.“

In der Vergangenheit war es als Hysterie abgetan worden, wenn Wissenschaftler empfahlen, die gesamte Herde zu töten, sobald ein BSE-Fall auftrat. Auch jetzt glaubt Dorrell noch nicht, daß es soweit kommen werde: Er behauptete, daß der Verzehr von Rindfleisch seit 1989, als das Verbot der Rinderfütterung mit Tierkörpermehl in Kraft trat, „immer unbedenklicher“ geworden sei. Dennoch hat Landwirtschaftminister Douglas Hogg eine Verschärfung der Kontrollen in Schlachthäusern und Fleischfabriken angeordnet. Darüber hinaus muß das Fleisch von Tieren, die älter als 30 Monate sind, künftig entbeint werden. Ein Berater der Regierung sagte, die Inkubationszeit betrage bei der neuen CJS-Form zwischen 5 und 16 Jahren. Deshalb seien die ersten 6 Fälle erst 1994 aufgetreten. Im vergangenen Jahr gab es 4 weitere Fälle. Das Durchschnittsalter der Opfer liegt bei 27 Jahren – statt bei 63, wie bei der bisher bekannten Form. Wissenschaftler räumten ein, daß jeder gefährdet sein könnte, der vor 1989 in Großbritannien Rindfleisch gegessen habe.

Heute befaßt sich der wissenschaftliche Veterinärausschuß der EU-Kommission in Brüssel mit dem Thema. Eine Entscheidung wird jedoch erst am Montag fallen, nachdem die Regierungsvertreter beraten haben. Dabei könne es nicht nur um ein Exportverbot gehen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission: „Jede Regelung muß auch die britischen Verbraucher schützen.“ Ralf Sotscheck Seiten 7 und 10

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