: Pop-Perlen, festkochend
■ Mütter im Streß: Die „Linda Potatoes“, unterwegs in der Welt mit neuer CD „Poohdl“
Die „Linda Potatoes“ sind im Streß: Gerade haben sie ihre erste CD aufgenommen, sind damit durch New Yorks namhafteste Punk-Clubs getourt, haben bei Eiseskälte auf einem Schiff im Rostocker Hafen gespielt und müssen immerzu Interviews geben. Kaum haben sie nun endlich Zeit gefunden, ihre EP „Poohdl“ auch in ihrer bremischen Heimat vorzustellen, sind schon wieder die USA an der Strippe und wollen sie schnellstmöglich für ein paar Festivals zurück haben. Dabei ist es heutzutage so schwierig, einen Babysitter zu finden.
Die „Linda Potatoes“ sind vier Frauen zwischen 26 und 40, größtenteils mit Kind und Kegel. Weil sie eine Frauenband sind, wurden sie schon mit „L7“ und „Hole“ verglichen. Der Vergleich hinkt: Nicht nur ist Sängerin, Gitarristin und Keyboarderin Lea die einzige mit bunten Haaren (derzeit zartgrün) unter den vieren, auch findet sich auf den sechs Songs von „Poohdl“ keine Spur von verbissenem Traditions-Punk oder fatalistischen Seelenstriptease. Stattdessen schrammelige, allenfalls leicht angepunkte Pop-Perlen von moderatem Tempo. Der schönste Song „Lady Dope“ ist gar regelrecht verträumt geraten, und der Rausschmeißer „Goody“ hat Bar-Jazz-Qualitäten.
Bevor sich die Band 1993 nach ihrer Lieblingskartoffelsorte (kochfest, biologischer Anbau) benannte, existierte sie in leicht anderer Besetzung bereits seit fünf Jahren unter dem Namen „Scraps“. Lea und Schlagzeugerin Moni hatten sich beim Fußballspielen in der zweiten Damenliga kennengelernt und mit Bassistin Meike sowie drei MitmusikerInnen die Band gegründet. Als der Gitarrist die Damen verließ, verabschiedete man sich auch von dem Namen. Lea fand ihn sowieso doof: „Ich war mal in Frankreich im Urlaub, und da konnte das niemand aussprechen.“
Als 1994 auch die Gitarristin Lisa ging, hatte man sich Ex-„Crackers“ bzw. „Braintwisters“-Mitglied Kacky als Ersatz ausgeguckt, die davon gar nicht begeistert war. „Ich hab die zweimal im Lagerhaus gesehen und bin jedesmal nach zwei Stücken wieder gegangen.“ Aber wie sagt man's durch die Blume? Kacky ließ sich zu ein paar Proben überreden, und der Funke sprang wider Erwarten über.
Gemeinsam hat man inzwischen einige Abenteuer erlebt, zum Beispiel eben New York. Der Boß des legendären Clubs CBGB, wo unter anderem die „Ramones“, „Blondie“ und die „Talking Heads“ ihre Karrieren begründeten, hatte sich die Bremerinnen in Berlin angehört und sie für ein Festival mit anderen Frauenbands eingeladen. Instrumente konnten sie nicht mitnehmen nach New York – keine Arbeitserlaubnis. Nur Leas Casio-Kinder-Keyboard, das in den Kartoffel-Sound pfiffig integriert ist und auf Knopfdruck etwas spielt, das so ähnlich klingt wie „Jingle Bells“, konnte im Handgepäck mitgeschmuggelt werden, der Rest wurde vor Ort organisiert. Dort lernten sie die Szene im Schnelldurchlauf kennen: „Biohazard“ waren zu Gast, und der „Lemonheads“-Kopf wollte gar nicht mehr von ihrer Seite weichen. Überhaupt war das CBGB Punk pur: „Kein Essen, keine Getränke, keine Garderobe, keine Klotüren und gerade genug Gage fürs Hotel.“
Nun sind sie vorerst zurück in Bremen, wo sie am Sonntag im „Tower“ die Veröffentlichung von „Poohdl“ feiern. Eingespielt wurde der Tonträger in nur zwei Tagen. Das Resultat hört sich dadurch nicht etwa lieblos, sondern eher frisch und fidel an. Alles mußte schnell gehen, weil die CD fertig sein sollte, bevor der Flieger nach Amerika ging. Der Titel war ebenfalls ein Schnellschuß: Niemand hatte eine zündende Idee, aber Meike einen Plastikpudel. Der wurde flink fürs Cover fotografiert, mit der Schreibweise wurde ein bißchen improvisiert und fertig war das Kunstwerk.
Andreas Neuenkirchen
Record-Release-Party am Sonntag, 24.3., 20 Uhr, im „Tower“ (Herdentorsteinweg 7a)
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