: Mit 3sat zurück in die Zukunft
■ "Z wie Zukunft" dokumentiert Computertechnologien und ihre kulturellen Auswirkungen (So., 21.30)
Warum überhaupt noch Fernsehen, wenn sich alles medial Aufregende rasend schnell aus Richtung Computer zu nähern scheint? Diesen Eindruck hinterläßt jedenfalls das dominante Gerede zu Multimedia, Virtual Reality oder Internet. Auch in zahllosen TV-Berichten werden diese Schlagworte mit stolzer „Was es nicht alles gibt“- Geste herumgereicht und ein kritischer Cocktail aus Norbert Bolz, Telekom, Neil Postman plus Cybersex zusammengezappt. Schließlich geht es um die Definitionsmacht und Daseinsberechtigung des alten Leitmediums Fernsehen angesichts der zukünftigen Audiovisionen.
Das ist beim 3sat-Programmschwerpunkt, der sich ab Sonntag mit dem Modethema „Z wie Zukunft“ herumschlägt, nicht anders. Nur hat man hier wirklich gewichtige Argumente zum Stand der computer-techno-kulturellen Dinge im Archiv angesammelt. Seit über zehn Jahren dokumentiert Manfred Waffender nämlich fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen Entwicklungen aus der ersten Reihe der digitalen Revolution. In der Zusammenschau seiner drei Filme wird deutlich, was zuschauerfreundliche Programmauswahl im Kontrast zu Bilderflut und Internet-Infoschrott vermag: Waffenders Selektion ist durchweg wertvoll, da biographisch eingefärbt. Ihm geht es um differenzierte Positionen zwischen Zukunftsenthusiasten und Maschinenstürmern; um ein Bewußtsein dafür, daß kulturell bedeutsame Technologien unserer Weltwahrnehmung verändern.
1983 – das Jahr Orwell minus eins und bevor in der öffentlichen Diskussion der kulturpessimistische Gassenhauer vom „Verschwinden der Kindheit“ erklang – entstand „Die Kinder von Apple, Atari und Commodore“: hierzulande der erste Film über Computerkids, der in einem Auszug gezeigt wird. Waffender war zu diesem Zeitpunkt an einer Buchreihe mit dem schönen Titel „Medien subversiv“ beteiligt. Und so suchte er das utopische Potential, mit dem die Nachwachsenden die „Medien der Mächtigen“ unterlaufen und verändern – und wurde fündig.
Ist Computersimulation fernsehspezifisch?
1990 – Waffender ist nun Autor und Herausgeber von Computerbüchern – entstand der Filmessay „Die Hypermaschine“. Eine Reflexion über die Visionen der Techniker und Künstler in der sagenumwobenen Zukunftsschmiede des Massachusetts Institute of Technology. Die Erstausstrahlung erfolgte bezeichnenderweise im Rahmen des 3sat-Thementages „Echt falsch“. Während sich heute wieder die Fernsehmenschen über den bösen Fälscher Born empören, dabei scheinheilig um die Glaubwürdigkeit ihrer Zunft bangen, bestanden die TV- Weiterdenker schon bei „Echt falsch“ darauf, daß gerade das Flüchtige und Simulierte als fernsehspezifisch anzusehen seien. Das „Ende der glaubwürdigen Bilder“, zum Beispiel durch digitale Manipulationen, wurde als befreiender Erkenntnisgewinn postuliert. Computersimulationen werden in „Die Hypermaschine“ als sinneschärfend gelobt: Fälschungen verdeutlichen, was wir unter Wahrheit verstehen, wie wir Realität konstruieren. Das, was wir heute für wahr halten, ist vermutlich falsch, heißt es im Film.
1995 – Computerträume sind ein alter Hut und massenkompatibel – dokumentiert Waffender in „Cyber City: San Francisco“ folgerichtig ein abermals gewandeltes Techno-Kulturverständnis und nimmt Abstand von der Begeisterung für Simulation und Bilderrauschen. Zwar werden auch hier die Heroen der Cyberkultur vorgeführt – Howard Rheingold auf der Homepage und zu Hause besucht –, im letzten Filmdritttel aber heißt es Abschied nehmen vom Computerhype. Da ist San Francisco wieder ein ganz realer, verdächtig diesiger Ort, in dem sich eben auch ein Haufen Cyberfreaks herumtreibt. Zuletzt erhält die Avantgarde dieser Zukunftsmenschen das Wort, und die klagt von den Datensurfern Tiefgang ein und sehnt sich wieder nach einfacheren Bildern.
Weil jeder dieser Filme auch bildästhetisch eine sich verändernde Weltwahrnehmung reflektiert und selbstverständlich mit der Sprache des Fernsehens zu experimentieren versteht, ist es empfehlenswert, die Daten fürs eigene Archiv aufzuzeichnen. Und sei es nur für den Tag, an dem sich wieder einmal die Frage aufdrängt: Warum überhaupt noch Fernsehen? Jörg Adolph
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