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Berlin, bitte keine Schnellschüsse

■ Vor der heutigen zweiten Lesung des Berliner Haushalts warnt Brandenburgs Kulturminister Reiche vor der Schließung der HU-Agrarfakultät. Gewerkschaften bewerten die Fusionschancen unterschiedlich

Brandenburgs Kulturminister Steffen Reiche (SPD) hat den Berliner Senat davor gewarnt, „vorschnell“ Entscheidungen für die künftige Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Region zu treffen. Mit Blick auf die geplante Schließung der Agrarfakultät der Humboldt-Universität sagte Reiche, die Berliner Seite übersehe, daß die Chancen der gemeinsamen Wissenschaftsregion auch nur gemeinsam optimal genutzt werden könnten.

Als Instrument für Planung und Abstimmung der wissenschaftlichen Profile und Fächerangebote verwies der Minister und SPD- Landeschef auf die im Fusionsvertrag vorgesehene gemeinsame Hochschulstrukturkommission. Reiche mahnte Berlin, endlich das Notwendige dafür zu tun, daß die Kommission möglichst bald ihre Arbeit aufnehmen könne. „Im Wettbewerb der Regionen werden wir nur gemeinsam bestehen, und die Voraussetzungen dafür sollten wir nicht auch noch selbst verschlechtern.“

Die für den öffentlichen Dienst zuständigen Gewerkschaften beurteilten am Wochenende die Chancen für eine tarifliche Einigung mit Brandenburg und damit für eine Empfehlung zur Fusion mit Berlin unterschiedlich. Der Landesverbandsleiter der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG), Hartmut Friedrich, sprach von einem Durchbruch bei den Verhandlungen über den Kooperationsvertrag. Er rechne fest damit, daß dieser am kommenden Donnerstag in Glienicke von den Landesregierungen und Gewerkschaften unterzeichnet wird.

In dem Vertrag würde unter anderem die West-Angleichung der Einkommen im Brandenburger öffentlichen Dienst zum Zeitpunkt der Fusion festgeschrieben.

Dagegen äußerte sich der Vorsitzende der Brandenburger Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Werner Ruhnke, skeptisch. Ohne verbindliche Zusagen für eine sozialverträgliche Fusion werde seine Organisation die Länderehe ablehnen. Auf einer Bezirkskonferenz in Bogensee im Kreis Barnim wies er den Vorschlag von Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) zurück, nach dem Vorbild der Lehrer für alle öffentlich Bediensteten eine 60-Prozent-Regelung anzustreben.

Ruhnke trat dafür ein, den derzeitigen Verhandlungsstand gutzuheißen, wenn er rechtsverbindlich zugesagt würde. Außer der Einkommensangleichung wäre darin die Übernahme des gesamten West-Tarifrechts und ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen sowie Herabgruppierungen eingeschlossen. Bei Neuwahlen zur ÖTV-Spitze bestätigten die 129 Delegierten Ruhnke mit 89,9 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt.

Da die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) als Arbeitgeber das Verhandlungsmandat inzwischen an Brandenburg zurückgegeben habe, steht laut DAG einer Einigung nichts mehr im Wege. Zwar werde sich das Land mit der Anhebung der Löhne und Gehälter auf Westniveau von der TdL wohl einen „Rüffel“ einhandeln, mit einem Ausschluß wie im Falle Berlins rechnet Landesverbandschef Friedrich jedoch nicht. Sowohl Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) als auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatten die West-Angleichung zugesichert. ADN/dpa

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