Das Portrait: Schwarzer Sieger
■ Ludwig Scholz
Jetzt geht es los. Das Nürnberger KOMM wird geschlossen, die bundesweit gelobte kommunale Verpackungssteuer abgeschafft, endlich wieder freie Fahrt durch die Altstadt, Schluß mit der Abtreibungsambulanz im Städtischen Klinikum und den Zuschüssen für homosexuelle Gruppen, Opernhaus pur statt freier Theatergruppen. „Auf so einen Tag haben wir 50 Jahre lang gewartet!“ jubelte der 58jährige Ludwig Scholz, nachdem sein Erfolg bei den Oberbürgermeisterwahlen in der zweitgrößten Stadt Bayerns feststand.
Es ist nicht irgendein Erfolg. Seit Kriegsende regierten in Nürnberg die Sozis, zuletzt im Bündnis mit den Grünen, und seit Kriegsende besetzen die Sozialdemokraten den Oberbürgermeistersessel. Alles probierte die CSU, um die rote Hochburg zu stürmen. Vegeblich. Weder Bundesminister noch Landesminister schafften die ersehnte „historische Wende“. Die blieb letztendLudwig Scholz, neuer Oberbürgermeister von NürnbergFoto: dpa
lich Ludwig Scholz vorbehalten, der eigentlich als Verlegenheitskandidat der Schwarzen in Nürnberg ins Rennen gegangen ist.
Der aus Schlesien stammende Verwaltungsjurist, der sich vom Staatsanwalt zum Leitenden Regierungsdirektor hochgearbeitet hat, sitzt seit 1972 im Stadrat. 1988 übernahm er den Fraktionsvorsitz. Doch die eigene Partei setzte keine großen Stücke auf ihn. So stellte man 1990 Exwohnungsbauminister Oscar Schneider als OB- Kandidaten. Dieses Mal sollte es eigentlich die ehemalige Miß Germany Dagmar Wöhrl sein. Doch die entfleuchte als Bundestagsabgeordnete nach Bonn. Mangels anderer Alternativen schickte die CSU dann Scholz als eine Art Zählkandidaten ins Rennen.
Doch der Mann, dessen gerötete Nase oft die einzige Ausstrahlung darstellt, machte Stimmung: gegen das Jugendzentrum KOMM, gegen den roten Filz, für freie Fahrt für freie Bürger und ein unternehmerfreundliches Klima. Zudem warf die CSU für die Stichwahl alles in die Waagschale. Stoiber und Waigel kamen und versprachen der von Arbeitslosigkeit gebeutelten Stadt das Blaue vom Himmel.
So eroberte Scholz die rote Hochburg und übernimmt nun das „schwere Amt“ (Scholz). Daß er seine vollmundigen Wahlversprechen kaum wird einlösen können, ist ihm bereits jetzt klar. Er hat auch schon eine passende Ausrede: „Wir haben ja keine geordneten Verhältnisse übernommen.“ Bernd Siegler
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